Zwei Herzen in einer Brust: Belgiens Co-Trainer Henry vor Halbfinale gegen Frankreich

Roberto Martínez
Roberto Martínez (© mooinblack / Shutterstock.com)

Thierry Henry darf ohne Übertreibung als eine der größten Legenden der stolzen und traditionsreichen französischen Nationalmannschaft bezeichnet werden. In 124 Partien erzielte der pfeilschnelle Angreifer 51 Tore. Damit ist er der Rekordtorschütze der französischen Nationalmannschaft. Und das vor namenhaften Spielern wie Michel Platini, seinem langjährigen Nebenmann David Trezeguet oder Zinedine Zidane. Mit Les Bleus feierte Henry große Triumphe, durchschritt aber auch tiefe Täler. Nun trifft Henry in seiner neuen Rolle nach dem Karriereende als aktiver Profi als belgischer Co-Trainer im WM-Halbfinale ausgerechnet auf sein Heimatland Frankreich. 

Einen einzigen Einsatz in der Nationalmannschaft hatte der 20-jährige Thierry Henry 1998 vor der Weltmeisterschaft im eigenen Land erst vorzuweisen. Im Testspiel gegen Belgien, mit dem Henrys Schicksal 20 Jahre später immer noch verbunden ist. Doch als die WM startete kam Henry zu seinen Einsätzen. Ihm glückten im Verlauf des Turniers drei Tore. Lediglich im WM-Finale gegen Brasilien, als sich Frankreich zum ersten Mal zum Weltmeister küren konnte, saß Henry 90 Minuten auf der Bank. Geschenkt. Denn der Youngster trug dennoch seinen Teil zum Titelgewinn bei und startete so seine Weltkarriere.

Vor allem beim FC Arsenal London wird er als Klub-Legende niemals aus der Geschichte des Vereins zu löschen sein. Und auch in Frankreich machte er in der Folge des WM-Titels noch einiges mit. Zunächst die blamable WM 2002, als die Franzosen als amtierender Weltmeister im Eröffnungsspiel gegen den WM-Neuling Senegal verlor und bereits in der Gruppenphase sang- und klanglos ausschied. Die phoenixhafte Rückkehr 2006, als Frankreich bis ins WM-Finale stürmte. Henry schoss erneut drei Treffer, wie schon 1998. Nur der Ausgang war diesmal unglücklicher. Im Finale unterlag Frankreich Italien im Elfmeterschießen.

Henry tauscht französisches Blau für teuflisches Rot

2010 war Henry aber auch wieder Teil der nächsten Talfahrt des französischen Nationalteams. Eine vollkommen zerstrittene Mannschaft überwarf sich während des Turniers in Südafrika mit Natioalcoach Raymond Domenech. Peinliche Bilder gingen um die Welt. Dass Frankreich erneut in der Gruppenphase ausschied, war nur folgerichtig. Es war Thierry Henrys letzte WM als Profi. Ein unwürdiger Abschluss. “Ich hätte der ältere Bruder sein können, aber das war ich nicht mehr,” sagte der Routinier selbst über diese schlimme Zeit. “Ich fühlte mich isoliert. Sie sprachen nicht mehr so mit mir wie sonst. Wenn man keinen Rückhalt mehr in einer Gruppe spürt, wird es schwer.”

Nun, acht Jahre später, ist Henry zurück bei einer Weltmeisterschaft. Diesmal aber natürlich nicht mehr auf dem Rasen, sondern auf der Bank. Gemeinsam mit Roberto Martinez betreut der mittlerweile 40-Jährige seit zwei Jahren die belgische Nationalmannschaft als Co-Trainer. “Er ist für uns eine psychologische Waffe, auf die wir so oft als möglich zurückgreifen werden,” preist Martinez den Stellenwert seines Assistenten. “Seine Erfahrung ist unbezahlbar, wenn es darum geht mentale Barrieren zu überwinden, um Weltmeister zu werden.”

Denn wer, wenn nicht Thierry Henry weiß zu erzählen, wie wichtig auch Zwischenmenschliches, Disziplin und Geschlossenheit bei einem Nationalteam ist? Und besonders die belgischen Stürmer haben in Henry einen Weltklasse-Ansprechpartner. Romelu Lukaku betont: “Seit wir zusammenarbeiten, habe ich mich enorm verbessert. Er hilft mir in allen Bereichen des Spiels: Technik, Taktik, Torabschluss und Spielverständnis. Ich verdanke ihm viel.” Wirft Belgien also ausgerechnet wegen der Expertise und Erfahrung von Henry Frankeich aus dem Turnier?