Vergangenen Samstag leitete der Schiedsrichter Felix Zwayer das Spitzenspiel Borussia Dortmund gegen FC Bayern München. Im Spiel traf er eine Reihe fragwürdiger Entscheidungen. Unter anderem entschied Zwayer nach vermeintlichem Handspiel des Dortmunders Mats Hummels auf Strafstoß, den Robert Lewandowski anschließend verwandelte. Am Ende verliert der BVB das Spiel mit 2:3. Nach dem Spiel äußert der Dortmunder Jude Bellingham in einem TV-Interview den mittlerweile vielfach zitierten Satz: „Du gibst einem Schiedsrichter, der ein Spiel manipuliert hat, das größte Spiel in Deutschland, was erwartest du?“ Bellingham bezieht sich in dieser Aussage auf Verstrickungen des Schiedsrichters Zwayer in den Hoyzer-Schiedsrichter-Skandal vor etwa 17 Jahren. Zwayer hatte damals erwiesenermaßen Geld angenommen und wurde vom DFB zeitweilig gesperrt. Gegen Bellingham leitete der DFB nun Ermittlungen wegen möglicher sportrechtlich relevanter Verfehlungen ein. Darüber hinaus erhielt der BVB-Profi eine Strafanzeige.
Neben der Prüfung sportrechtlicher Konsequenzen gegen Bellingham durch den DFB stellte der Schiedsrichter-Beobachter Marco Haase Strafanzeige gegen den BVB-Spieler Jude Bellingham.
Haases Meinung nach erfülle die Aussage des 18-Jährigen den Straftatbestand der Beleidigung, üblen Nachrede und Verleumdung. Auch gegen ehemaligen Schiedsrichter Manuel Gräfe, der Bellingham zur Seite gesprungen war, erstattete Haase Strafanzeige.
Katastrophale Schiedsrichter-Leistung bei BVB gegen Bayern
Der Schiedsrichter Felix Zwayer traf Samstag eine Anzahl von Entscheidungen, die man, jede einzelne für sich betrachtet, nicht als krasse Fehlentscheidungen ansehen kann. Sowohl die Szene in der 53. Spielminute als Lucas Hernandez Marco Reus zu Fall brachte, als auch Hummels unglücklicher Ellbogen-Touché in der 78. Minute waren Elfmeter-verdächtig. Im einen Fall entschied Zwayer gegen Strafstoß, im anderen dafür.
Dann gab es in der ersten Halbzeit noch ein Szene gegen Haaland, die sich verdächtig nah am Strafraum abspielte. Auch hier hätte man pfeifen können. Am Ende wurde nur der eine Elfer für die Bayern gegeben.
Der ehemalige Top-Schiedsrichter Manuel Gräfe kritisierte die fehlende Balance der Zwayer-Entscheidungen. Schon vor Monaten kritisierte Gräfe grundsätzlich die Entscheidung, Zwayer als Schiedsrichter wirken zu lassen.
Wer einmal Geld angenommen und die Manipulationen des Skandal-Schiedsrichters Rober Hoyzer ein halbes Jahr verschwiegen habe, so Gräfe, solle keinen Profifußball pfeifen dürfen.
Zwayers Verstrickungen in den Hoyzer-Skandal
Felix Zwayer hatte am 30. April 2004 vor dem Regionalliga-Spiel Wuppertaler SV gegen Werder Bremen II vom Schiedsrichter-Kollegen Robert Hoyzer 300 Euro angenommen, mit der Maßgabe, „kritische Situationen für den Wuppertaler SV zu vermeiden.“ Dass Zwayer das Geld angenommen hatte, ist unstrittig. Konkrete Spielmanipulationen konnten ihm jedoch nicht nachgewiesen werden.
Die Staatsanwaltschaft ermittelte damals gegen Zwayer, stellte das Verfahren am Ende aber, wie es in der Begründung hieß, „mit nicht unerheblichen Bedenken“ wegen Geringfügigkeit ein.
Der DFB hielt Zwayer in sportrechtlicher Hinsicht für schuldig und sprach eine Sperre aus. Zwayer hatte die Geldannahme über Monate verschwiegen hatte, sodass Geldgeber Hoyzer vorerst weiter manipulieren konnte.
Bis zum berüchtigten Skandalspiel Paderborn gegen den HSV am 21. August 2004, in dessen Anschluss schließlich einer der größten Fußball-Wettskandale des deutschen Profifußballs offenbar wurde.
Die merkwürdige Karriere eines „Unparteiischen“
Der Karriere von Schiedsrichter Zwayer haben dessen Verstrickungen in den Hoyzer-Skandal letztlich nicht geschadet. Dem gelernten Immobilienkaufmann wurde seine Rolle als Kronzeuge im Hoyzer-Prozess zugutegehalten. Nach einer mehrmonatigen Sperre trat Zwayer wieder als sogenannter Unparteiischer auf. Schon 2007 durfte er Partien der 2. Bundesliga pfeifen, 2009 dann auch Spiele der 1. Liga. 2014 wurde der Referee zum „Schiedsrichter des Jahres“ gekürt.
Wenige Monate später holte Zwayer seine Vergangenheit ein, als in der „Zeit“ Recherchen zum Urteil des DFB-Sportgerichts veröffentlicht wurden, die der DFB seinerzeit verheimlicht hatte. Der Schiedsrichter-Karriere des heute 40-Jährigen taten aber auch diese Veröffentlichungen keinen Abbruch. Heute ist er berechtigt Champions League-Begegnungen sowie Länderspiele zu leiten.
Strafanzeige und DFB-Ermittlungen gegen Bellingham
Der Kontrollausschuss des DFB habe Ermittlungen gegen BVB-Profi Jude Bellingham aufgenommen, teilte der Verband am Montag mit. Bellingham wurde zu einer schriftlichen Stellungnahme aufgefordert. Liegt die Stellungnahme vor, werde sie geprüft und entschieden, wie in dem Fall weiter zu verfahren sei.
Darüber hinaus steht die Strafanzeige von Schiedsrichter-Beobachter Haase im Raum, die aber für den Dortmunder kaum Konsequenzen haben dürfte. Eine Beleidigung wird nur auf Antrag verfolgt. Antragsberechtigt ist dabei der Verletzte. Da aber der Schiedsrichter Felix Zwayer keine Anzeige erstattet hat, dürfte sich die Sache im Sande verlaufen.
Dazu sagen muss man auch, dass jene Anzeige von einem ehrenamtlichen Schiedsrichter-Beobachter des DFB gestellt. Jener Mann ist ehemaliges Mitglied der rechtsextremen Schill-Partei in Hamburg und steht aktuell der AfD nah.
Welche Konsequenzen drohen Bellingham?
Bei einer Verurteilung durch ein Sportgericht des DFB könnte Bellingham allerdings schlimmstenfalls eine Sperre oder, wahrscheinlicher, eine Geldstrafe drohen.
Der Zeit-Journalist Oliver Fritsch kommentierte die Kontroverse um den englischen Nationalspieler mit den Worten, Bellingham habe nur ausgesprochen, was alle dachten. Weil es sich im deutschen Fußball offenbar nicht gehört, die Wahrheit zu sagen, soll Jude Bellingham bestraft werden, so Fritsch.