Vier Tage nach dem 1:1-Unentschieden gegen Spanien, trifft die deutsche Nationalmannschaft heute Abend (20:45 Uhr, live im ZDF) im Berliner Olympiastadion auf Brasilien. Das Testspiel gegen die Selecao ist ein weiterer (echter) Härtetest für die DFB-Elf. Auch für Bundestrainer Joachim Löw ist das Duell gegen den fünfmaligen Weltmeister besonders wichtig, es ist das letzte Länderspiel bevor der 58-jährige Mitte Mai seine vorläufigen Kader für die WM 2018 in Russland bekannt geben muss. Löw hat im Vorfeld der Partie bereits freiwillig auf Spieler wie Mesut Özil und Thomas Müller verzichtet, andere Spieler wiederum wie Marvin Plattenhardt, Bernd Leno oder Leroy Sane erhalten eine Chance sich gegen Brasilien zu beweisen und damit auch für einen Platz im deutschen WM-Kader.
Deutschland gegen Brasilien ist ein echter Länderspiel-Klassiker, 22-mal standen sich die beiden Teams bereits gegenüber. Mit 12 Niederlagen, 5 Unentschieden und 5 Siegen gehört die Selecao zu den wenigen Nationalmannschaften auf dieser Welt, gegen die die DFB-Elf den kürzeren im direkten Vergleich zieht. Dennoch dürfte der Respekt auf Seiten der Südamerikaner vor dem heutigen WM-Vorbereitungsspiel in Berlin deutlich größer sein als es die Statistik erahnen lässt. Das letzte Duell zwischen diesen beiden Mannschaften endete in einem regelrechten Desaster für den fünfmaligen Weltmeister. Brasilien kassierte bei der Heim-WM vor vier Jahren ein herbe 1:7-Halbfinal-Klatsche gegen Jogis Jungs. Diese Niederlage ist nach wie vor noch nicht ganz aus den Köpfern der brasilianischen Fußballspieler und -fans verschwunden.
Joachim Löw wird rotieren
Die Stimmung innerhalb der deutschen Nationalmannschaft ist gut, auch wenn man am vergangenen Freitag nicht über ein 1:1-Unentschieden gegen Spanien hinausgekommen ist, war Bundestrainer Joachim Löw nach dem Spiel zufrieden mit der Leistung seiner Mannschaft. Spielerisch hat sein Team durchaus überzeugt und das gegen einen der Top-3-Titelfavoriten auf den WM-Titel. Löw sieht seien Truppe auf einem guten Weg, weniger als 100 Tage vor Beginn der WM 2018 in Russland. Gegen Brasilien wird der Bundestrainer jedoch eine andere Mannschaft ins Rennen schicken als noch gegen Spanien, Löw möchte den Test nutzen um sich nochmals ein Bild von jenen Spielern zu machen, die in den vergangenen Monaten nicht so häufig zum Einsatz kamen. Die heutige Partie gegen die Selecao ist die letzte, bevor der 58-jährige seinen vorläufigen WM-Kader bekannt geben muss Anfang Mai.
Thomas Müller, Mesut Özil, Emre Can und Marc Andre ter Stegen werden heute Abend alle samt nicht spielen. Während Müller und Özil von Löw einen “Sonderurlaub” erhalten haben und geschont werden, sind Can und ter Stegen beide angeschlagen. Es handelt sich um keinen größeren Verletzungen, dennoch möchte Löw kein Risiko eingehen und verzichtet auf beide. Auch Sami Khedira wird aller Voraussicht nach nicht spielen, der Mittelfelspieler ist ebenfalls leicht verletzt und dürfte ebenfalls geschont werden.
Die vielen “Ausfälle” und “Verzichte” sind jedoch kein Nachteil für Löw, der nun die Gelegenheit hat “neue” Spieler zu testen und davon wird er auch Gebrauch machen wie er in der Abschluss-PK vor dem Spiel betonte. Im Tor werden sich Bernd Leno und Kevin Trapp jeweils eine Halbzeit teilen, wer von den beiden anfangen darf wollte Löw indes nicht verraten. Auch in der Viererkette wird es Veränderungen geben. Auch links darf der Berliner Marvin Plattenhardt in seinem “Heimstadion” für Jonas Hector starten. Auch Antonio Rüdiger und Matthias Ginter könnten heute Abend von Anfang an auf dem Platz stehen. Im Mittelfeld hat Löw sich schon darauf festgelegt, dass Ilkay Gündogan und Leroy Sane beginnen werden. Beide spielen eine starke Saison bei Manchester City und könnten auch bei der WM eine große Rolle für die deutsche Nationalelf spielen so Löw: “Beide haben sich blendend in Manchester entwickelt. Ilkay ist endlich wieder gesund und top-fit. Ihn kennen wir ja bereits. Für Sane war es das Beste, zu ManCity gewechselt zu sein. Er ist ein Top-Spieler im Eins-gegen-Eins. Das soll er auch bei uns zeigen.” Wer im Sturm ran darf bleibt abzuwarten, mit Timo Werner, Sandro Wagner und Mario Gomez hat Löw drei “echte” Stürmer zur Verfügung. Gut möglich, dass alle drei Einsatzminuten erhalten.
Während in den brasilianischen Medien die 1:7-Niederlage Brasiliens ein ganz großes und wichtiges Thema ist, spielt dies für Löw, eigenen Aussagen zu Folge, keine Rolle mehr: “Das 7:1 bei der WM 2014 spielt für uns gar keine Rolle. Das war für uns fast schon am nächsten Morgen abgehakt, weil wir uns aufs Finale konzentriert haben. Natürlich haben die Brasilianer bestimmt ein wenig Rachegelüste, doch auch sie können die Uhr nicht zurückdrehen. Das 7:1 ist Vergangenheit.” Der Bundestrainer warnt davor sich zurück zu lehnen, laut Löw hat sich die Selecao in den vergangenen Jahren deutlich verbessert: “Unter dem neuen Trainer Tite haben sie sich stark verbessert, vor allem in der Defensive. Brasilien steht nun viel kompakter und hat die größte Baustelle damit geschlossen. Mit Tite herrscht eine andere Mentalität. Brasilien kann mittlerweile mit allen Spielern verteidigen. Selbst Neymar arbeitet wahnsinnig intensiv nach hinten. Offensiv waren sie schon immer sehr stark, ob mit oder ohne Neymar.”
Tite: Die Wunder ist immer noch offen
Ähnlich wie 2014 vor der Heim-WM gehört Brasilien auch dieses Mal zu den absoluten Top-Favoriten. Die Selecao schlichtweg über zu viel individuelle Qualität um nicht zum engeren Kreis der Titelanwärter in Russland zu gehören. Nationaltrainer Tite hat der Mannschaft ein “neues Gesicht” gegeben, anders als Vize-Weltmeister Argentinien hat Brasilien die WM-Qualifikation locker und souverän als Gruppensieger beendet. Das erste Länderspiel im neuen Jahr konnte man ebenfalls gewinnen, als man sich mit 3:0 gegen Russland durchsetzte. Der Test gegen Deutschland wird für den fünfmaligen Weltmeister jedoch auch eine echte Härteprobe sein. Auch wenn Superstar Neymar fehlt, möchte Brasilien in Berlin gewinnen.
Die 1:7-Pleite gegen die DFB-Elf ist in Fußball-Brasilien auch vier Jahre nach dem Spiel noch allgegenwärtig. Nationaltrainer Tite macht daraus kein Geheimnis: “Das 7:1 von der WM ist ein Gespenst. Es ist passiert, und es ist weiter präsent. Die Leute reden oft genug darüber. Aber je mehr man darüber spricht, desto weniger verschwindet dieses Gespenst.” Das heutige Testspiel ist nicht nur eine Chance die Schmach ein wenig zu dämpfen, sondern auch mit Blick auf die WM-Endrunde sehr wichtig so Tite: “Wir bereiten uns so vor, dass wir eine große Leistung bringen können. Wir werden bereit sein. Und für die WM wird uns dieses Spiel helfen. Nicht nur wegen des Fußballs, sondern wegen etwas, das sehr schwer zu erreichen ist: Kontinuität in der Leistung.”
Personell kann Tite gegen Deutschland, bis auf Neymar, aus dem Vollen schöpfen und wird dies aller Voraussicht nach auch tun. Ähnlich wie Löw wird er viel rotieren um so viele Spieler wie möglich zu beobachten und diesen eine Chance zu geben sich für die WM zu bewähren.
Deutschland – Brasilien: Die voraussichtlichen Aufstellungen der beiden Teams
Deutschland: Leno – Rüdiger, J. Boateng, Ginter – Kimmich, Gündogan, Khedira, Plattenhardt – Goretzka, L. Sané – Ti. Werner
Brasilien: Alisson – Dani Alves, Thiago Silva, Miranda, Marcelo – Casemiro – Willian, Paulinho, Fernandinho, Coutinho – Gabriel Jesus
Anpfiff der Partie ist heute Abend um 20:45 Uhr im Berliner Olympiastadion. Das ZDF wird die Partie ab 20:25 Live im deutschen Free-TV übertragen und parallel dazu auch im kostenlosen Online-Livestream in der ZDF-Mediathek zu Verfügung stellen.