Im Testspiel gegen Saudi-Arabien kam es erneut zu Pfiffen gegen Mesut Özil und Ilkay Gündogan. Der Fall rund um das Erdogan-Foto wird immer mehr zum ernsthaften Problem – auf für die restliche Mannschaft. Doch Schuld sind daran nicht nur die Spieler.
Es ist erstaunlich, wenn nach einem Fußballspiel der deutschen Nationalelf gegen das sportlich nicht vergleichbare Saudi-Arabien, welches der amtierende Meister nur durch Glück 2:1 gewann, nicht etwa die schlechte Leistung des Teams diskutiert wird, sondern ein Ereignis, das schon über vier Wochen alt ist: Das Treffen der Nationalspieler Gündogan und Özil mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, bei welchem sich beide als Fans desselben outeten.
Özil befand sich verletzungsbedingt bei der Generalprobe für die WM in Leverkusen auf der Bank. Gündogan kam hingegen ins Spiel – und erntete sofort Pfiffe. Obwohl Bundestrainer und Assistenten die Fans zur Unterstützung aufgefordert hatten. Nichts half, die Fans entschieden sich für Protest.
Joachim Löw war nach der Partie bezüglich der neuerlichen Unmutsbekundungen entgeistert, besonders gegenüber Gündogan. „Ich frage mich, was Ilkay nun tun soll. Er hat der Presse gestanden, dass es kein politischer Akt war. Was kann er jetzt noch machen?
Sympathie für Erdogan?
Genau das ist das Problem. Zwar hat sich Gündogan den Fragen der Journalisten im Trainingslager gestellt, aber viel mehr, dass es kein politisches Statement war, kam da nicht heraus. Aber worum soll es sich sonst gehandelt haben?
Beide Spieler gaben Erdogan beim Treffen in London ihr Trikot mit einer persönlichen Widmung, Gündogan sogar mit: „Für meinen Präsidenten.“ Der Termin war medienwirksam inszeniert und befand sich inmitten des Wahlkampfs von Erdogan.
Özil wiederum entschied sich, gar nichts zu der Aktion zu sagen. Anstatt zu schweigen oder abzuwiegeln hätten sie auch sagen können, dass sie einen Fehler begangen haben oder die Aktion einfach unbedacht war. Weil aber nichts dergleichen passiert ist, nährt es den Verdacht unter den Fans, dass die Spieler mehr Sympathie für den regierenden Machthaber hegen, als sie eingestehen. Zumindest würde man gerne mal erfahren, warum die beiden dieser Einladung gefolgt sind. Emre Can, ebenfalls türkischstämmiger Nationalspieler, lehnte beispielsweise ab.
Löw empfindet Pfiffe als störend
Auch der DFB macht in diesem Fall nicht die beste Figur. Der häufige Verweis, Özil und Gündogan würden zu demokratischen Werten stehen und diese auch im Training vorleben, wirkt ähnlich unbeholfen wie Oliver Bierhoffs Ansage, nicht immer dieselben, kritischen Fragen zu diesem Vorfall zu stellen. Es wirkt wie ein Versuch, die unliebsame Diskussion einfach abzubrechen.
Die Fußballfans jedenfalls sind nicht gewillt, sich den Mund verbieten zu lassen, was sie in Leverkusen deutlich gezeigt haben. Sogar dann, wenn die WM dadurch gefährdet wird. Dass diese Diskussion auch die Stimmung innerhalb des Teams gefährdet, konnte man im Spiel mit Saudi-Arabien beobachten. Von besonderer Spielfreude keine Spur. Dass die ständigen Diskussionen eine Belastung sind, gab Löw zuletzt in Leverkusen zu. „Es hilft niemandem, wenn ein Nationalspieler so ausgepfiffen wird“, erklärte er im Interview.
Man kann der DFB-Elf nur wünschen, der Unmut möge sich bald beruhigen. Vielleicht, weil Gündogan und Özil sich doch noch äußern oder weil die Fans Einsehen haben und ihrem Team lieber Unterstützung zukommen lassen.