Seit diesem Sommer steht Rafael van der Vaart beim dänischen Erstligisten Esbjerg fB unter Vertrag. Doch die Karriere des mittlerweile 35- jährigen Niederländers sah auch schon ganz andere Vereine in seiner Vita. Ausgebildet beim großen niederländischen Traditionsklub Ajax Amsterdam, gereift beim Hamburger SV, dann zum größten Verein der Welt Real Madrid weitergezogen, Erfahrung in der Sehnsuchts- Liga der Fußballwelt, der Premier League, bei den Tottenham Hotspur gesammelt. Dann der gemeinsame langsame Niedergang während seiner zweiten Ära beim HSV, das kurze Gastspiel bei Betis Sevilla und schließlich seine Zeit in Dänemark – ein Karriereinterview mit van der Vaart bietet reichlich Gesprächsstoff. So eines führte das ukrainische Portal Football.ua nun mit dem 109- fachen Nationalspieler der Elftal.
Ausgebildet wurde Rafael van der Vaart in der legendär erfolgreichen Jugendabteilung des niederländischen Traditionsklubs Ajax Amsterdam. Dort schaffte er im Jahr 2000 den Sprung in die Profimannschaft. Fünf Spielzeiten verbrachte der junge Spielmacher beim niederländischen Großklub. Unter anderem lief er dort mit einem ebenfalls noch blutjungen Zlatan Ibrahimovic gemeinsam auf. Dass das Zusammenspiel der beiden ehrgeizigen Jungprofis nicht immer harmonisch war, kann man sich vorstellen. Zu den Reibereinen, die es damals zwischen dem Mittelstürmer und dem Regisseur gab, sagt van der Vaart heute: „Ich denke, er war ein bisschen eifersüchtig. Zu der Zeit waren wir beide jung und ich war der beste Spieler bei Ajax. Er kam zum Klub und glaubte, dass er der beste Spieler von Ajax sei. […] Ich denke, ich war ein größeres Problem für ihn als er für mich“, blickt van der Vaart auf den Clinch mit dem schwedischen Weltstar zurück. Ibrahimovic verließ dann im Jahr 2004 Ajax Amsterdam Richtung Italien und wechselte zu Juventus Turin. Ein Jahr später ging auch van der Vaart. Ihn zog es in die Bundesliga. Der Hamburg SV, der nicht nur van der Vaart von Ajax loseiste, sondern im gleichen Jahr auch dessen Landsmann und Teamkollegen Nigel de Jong, zahlte für den damals 22-jährigen Zehner 5 Mio. Euro.
„Es war eine leichte Entscheidung“, sagt van der Vaart heute über seine erste Unterschrift bei den Hanseaten. Denn die hätten sich damals sehr um ihn bemüht und die sportlich richtigen Ambitionen aufgewiesen. „Ich habe mit dem Trainer (Anm. d. Red.: Thomas Doll) gesprochen, er hat mich überzeugt, und ich habe nicht eine Sekunde mit dem Entschluss gezögert. Viele waren überrascht, dass ich nach Hamburg ging. […] Dies war die beste Entscheidung für meine Karriere.“ Denn der HSV war damals noch ein anderer Verein, immer mit dem Potenzial europäisch zu spielen und auf dem Transfermarkt mit dem richtigen Auge für junge, entwicklungsfähige Spieler, wie eben van der Vaart und de Jong oder auch Vincent Kompany oder etwas später Jerome Boateng. 13 Scorerpunkte (neun Tore, vier Vorlagen) bei 19 Einsätzen in seiner Premierensaison in Hamburg und ebensoviele bei acht Toren und fünf Vorlagen in 26 Einsätzen in der folgenden Saison wurden von van der Vaart in seinem dritten Jahr in Hamburg noch einmal beeindruckend getoppt. 2007/ 08 gelangen dem zum Superstar der Hanseaten aufgestiegenen Niederländer in 29 Bundesliga- Einsätzen zwölf Tore und zehn Vorlagen. Nur logisch, dass auch andere, größere Klubs auf den Niederländer mit spanischen Wurzeln aufmerksam wurden.
Rafael van der Vaart über seinen Wechsel zu Real Madrid
Zunächst bemühte sich der FC Valencia um die Dienste des offensiven Mittelfeldspielers. Und van der Vaart war einem Wechsel ins Land seiner Mutter durchaus zugeneigt. Er ließ sich bereits mit einem Trikot der Fledermäuse ablichten, um den Druck auf den HSV, ihn zu verkaufen, zu erhöhen. Dennoch lehnten die Verantwortlichen der Rothosen die Offerte des FC Valencia ab. Doch dann klopfte Real Madrid an. Und bei einem Angebot aus der spanischen Hauptstadt war van der Vaart nicht mehr zu halten. „Ich wollte nur zu diesem Klub gehen“, behauptet der Mittelfeldspieler heute. „Das war eine leichte Entscheidung, vor allem wenn man bedenkt, dass meine Mutter aus Spanien stammt […]. Meine Familie lebt immer noch dort, also war es einfach fantastisch. Es ist der größte Klub der Welt, […] der einzige Verein, dessen Trikot ich täglich mit dem Gedanken getragen habe: ‚Wow, ich habe es geschafft!‘“ Auch der Stadtrivale von Real, Atletico Madrid soll damals ein Auge auf den niederländischen Zehner geworfen haben. Doch zu einem angeblichen Angebot der Colchoneros meint van der Vaart: „Ich weiß nichts über Atlético.“
Doch für Real Madrid lief van der Vaart zwei Spielzeiten lang lediglich mit mäßigem Erfolg auf. 32 Einsätze sammelte er in LaLiga im ersten Jahr. Dabei gelangen ihm nur fünf Tore und fünf Assists. Etwas effektiver war der Niederländer in der zweiten Saison, in der er nur noch auf 26 Einsätze im Trikot der Galacticos kam, aber bei der gleichen Zahl an Vorlagen einen Treffer mehr erzielte. Dennoch war seine Zeit bei den immer nach mehr strebenden Königlichen im Sommer 2010 abgelaufen. Van der Vaart zog weiter in die Premier League zu den Tottenham Hotspur. „In Tottenham war die beste Zeit in meiner Fußballkarriere”, blickt van der Vaart auf die beiden Jahre im Norden Londons zurück. Gerade in der ersten Spielzeit verzauberte van der Vaart die Premier League mit der vielleicht besten Saison seiner Karriere, in der am Ende 13 Tore und neun Vorlagen allein in der Premier League zu Buche standen. Auch im zweiten Jahr lieferte vdV mit elf Treffern und sieben Assists ordentlich, doch in dem folgenden Sommer wurde mit dem jungen, aufstrebenden Isländer Gylfi Sigurdsson ein Konkurrent auf vand der Vaarts Position verpflichtet. Und seine alte Liebe, der HSV, buhlte erneut um den Niederländer, der sich von einer Rückkehr in Deutschlands Norden überzeugen ließ. “Natürlich hatte Hamburg Probleme, war im Tabellenkeller, also wollte ich helfen. Außerdem hat mir die Stadt und das Leben dort gefallen“, erklärte der Niederländer den Wechsel. Den Beginn seiner zweiten Ära beim Hamburger SV bezeichnet van der Vaart heute so: “Nicht der klügste Schritt, aber ich habe es getan“. „Aber ich bereue meine Entscheidungen nicht“, schließlich ist er immer noch eine der prägenden Figuren der letzten 20 Jahre bei den Rothosen.
Langsamer Abstieg Rafael van der Vaarts
In den ersten beiden Jahren stimmten mit 15 und 16 Scorerpunkten zumindest noch van der Vaarts Statistiken. Doch der HSV war im Niedergang inbegriffen. Schon in der Saison 13/ 14 retteten sich die einst so stolzen Rothosen erst in der Abstiegsrelegation vor dem Gang in die Zweitklassigkeit. In der Folgesaison traf sie erneut das Schicksal Relegation. Auch der alternde Star van der Vaart konnte sich dagegen nicht mehr stemmen und spielte ein enttäuschendes Jahr. Bezeichnend, dass ihn im entscheidenden Moment des Rückspiels der Relegation Marcelo Diaz bei der letzten Chance die Klasse durch ein Freistoßtor mit den Worten “Tomorrow, my friend!” wegschickte. Diaz versenkte den ruhenden Ball, der HSV war in allerletzter Sekunde noch einmal gerettet. Doch van der Vaart war überflüssig geworden.
Es zog ihn erneut nach Spanien, nach Sevilla. Über die schwierige Zeit bei Betis Sevilla sagt der Spielmacher heute: „Nach ein paar Monaten sagten sie zu mir: ‚Du wirst nicht mehr spielen. Du kannst trainieren, tun, was du willst, aber du wirst nicht spielen‘.“ Diese ausweglose Situation war auch bedingt durch einen schnellen Trainerwechsel bei den Andalusiern nach van der Vaarts Ankunft. „Unser Trainer (Anm. d. Red.: Pepe Mel) wurde gefeuert und ein anderer ernannt – vom Reserveteam. Ich erinnere mich nicht an seinen Namen (Anm. d. Red.: Juan Merino). Aber er war der verdammt nochmal der schlechteste Trainer in meiner Karriere.“ Im Sommer 2016 folgte dann der schnelle Abschied aus Spanien, van der Vaart wechselte zum FC Midtjylland.
Und in Dänemark scheint van der Vaart im Herbst seiner Karriere heimisch zu werden, denn in diesem Sommer zog es ihn weiter zu Esbjergs fB, wo ihn die Verantwortlichen mit warmen Worten empfingen. „Ich bin froh, dass wir Rafael geholt haben. Er hat große Erfahrung und offensichtliche Qualitäten, und jetzt müssen wir schauen, dass er fit wird“, erklärte Esbjerg-Trainer John Lammers. „Es ist eine frohe Nachricht für EfB, dass wir einen Spieler mit solchen Erfolgen gewinnen konnten. Er ist ein gutes Vorbild für unsere jungen Spieler, die viel von ihm lernen können“, ergänzte Sportdirektor Brian Knudsen. Ein hoffentlich versöhnlicher Abschluss einer Karriere mit vielen Höhen, großen Erfolgen, aber auch Fehlentscheidungen und verpassten Chancen.