Läuft die Bundesliga-Uhr beim „Dino“ Hamburger SV am Samstag tatsächlich ab? Steigt der einzige Verein, der seit Gründung der 1. Fußball Bundesliga durchgehend in der Liga war, erstmals in der Vereinsgeschichte in die Zweitklassigkeit ab? Die Vorzeichen vor dem Spiel gegen Mönchengladbach stehen denkbar schlecht. Aber: Den HSV darf man erst abschreiben, wenn der letzte Spieltag abgepfiffen ist. Die Borussia spekuliert unterdessen noch auf die Europa League.
Mit 28 Punkten nach 33 Spieltagen waren die meisten Vereine vor dem letzten Spiel bereits abgestiegen. Doch der Hamburger SV darf einmal mehr auf die Relegation hoffen. Dort wartet Holstein Kiel, die sich als Aufsteiger prompt den dritten Rang in der 2. Bundesliga sicherten. Damit es auch dieses Mal funktioniert, muss aber nicht nur Hamburg selbst gewinnen. Die Hanseaten benötigen auch Schützenhilfe vom Tabellennachbarn aus Köln.
Bei Borussia Mönchengladbach hofft man nach dem 3:1-Sieg gegen den SC Freiburg noch auf die Europa League. Gladbachs großer Vorteil: Sie haben rein gar nichts mehr zu verlieren.
Die Ausgangslage für Borussia Mönchengladbach
Würde Gladbach das letzte Saisonspiel beim Hamburger SV verlieren, würde die Borussia auf Rang neun der Tabelle stehen bleiben. Von den Verfolgern kann das Team von Trainer Dieter Hecking nicht mehr eingeholt werden. Mönchengladbach sammelte in dieser Saison eher enttäuschende 47 Punkte. Dennoch ist die Qualifikation für Europa noch möglich.
Um noch in die Europa League einzuziehen, muss die Borussia in Hamburg zwingend gewinnen. Im günstigsten Falle kann sich Gladbach als Tabellensechster noch direkt für die Gruppenphase qualifizieren. Dann müssen aber der Achte Stuttgart (in München), der Siebte Frankfurt (auf Schalke) und der Sechste Leipzig (in Berlin) patzen. Gladbach wäre mit Leipzig punktgleich – weist aber aktuell noch das um vier Tore schlechtere Torverhältnis auf, das entsprechend aufgeholt werden müsste.
Stuttgart würde ein Punkt bei den Bayern nicht reichen, um vor Gladbach zu bleiben, wenn die Borussia gewinnt. Frankfurt fiele bei einem Remis hinter das Team von Dieter Hecking zurück, wenn die Borussia in Hamburg mit mindestens vier Toren Differenz gewinnt. Holt Leipzig wenigstens ein Unentschieden in Berlin, bleibt RB definitiv vor Gladbach.
Sollte Mönchengladbach gegen den HSV nur Unentschieden spielen, könnte nur noch ein Platz gut gemacht werden. Für die Europa League würde aber wenigstens Platz sieben von vonnöten sein, um zumindest in die Qualifikation zu kommen. Allerdings reicht Platz sieben nur, wenn der FC Bayern München das Pokalfinale gegen Eintracht Frankfurt gewinnt.
Mönchengladbach ist im Kampf um die Europa League zwar der Außenseiter, dennoch haben sie auf dem Papier den leichtesten Gegner. Frankfurt ist auf Schalke, genauso wie Stuttgart in München, nur Außenseiter. Gut möglich, dass Gladbach zumindest noch auf Rang sieben springt.
Die Ausgangslage für den Hamburger SV
Sieben Siege, sieben Unentschieden, 19 Niederlagen, 27 zu 52 Tore. Trotz des Aufschwungs unter Trainer Christian Titz ist das weiterhin die Bilanz eines Absteigers. Dass die Hamburger vor dem letzten Spieltag weiterhin hoffen dürfen, liegt an den schwachen Wolfsburgern, die unter Trainer Bruno Labbadia auf keinen grünen Zweig kommen. Dennoch stehen die „Wölfe“ mit aktuell 30 Punkten weiterhin zwei Zähler vor dem HSV, der in Frankfurt die große Gelegenheit verpasste, Wolfsburg zu überholen. Die Hamburger gingen mit 0:3 baden. Auch die Tordifferenz spricht mit minus 25 klar gegen den HSV. Wolfsburg weist eine Differenz von minus 15 auf.
Das macht die Ausgangslage ziemlich klar. Der Hamburger SV muss daheim gegen Borussia Mönchengladbach gewinnen, um die Chance auf die Relegation zu wahren. Gleichzeitig müssen die Hamburger aber hoffen, dass der 1. FC Köln beim VfL Wolfsburg gewinnt. Wolfsburg empfängt mit dem bereits feststehenden Absteiger aus Köln den vermeintlich leichtesten Gegner. Aber Achtung: Der VfL ist die zweitschlechteste Heim-Mannschaft und konnte zuhause erst zwei Begegnungen gewinnen. Allerdings ist der 1. FC Köln auch die schlechteste Auswärts-Mannschaft mit nur zwei Siegen und acht Punkten. Zwischen Wolfsburg und Köln könnte es ein Geduldsspiel werden. Womöglich liegt für Wolfsburg auch die Gefahr darin, dass die Kölner befreit aufspielen können und sich anständig Richtung 2. Bundesliga verabschieden möchten. Für Hamburg kann es dagegen nur eine Richtung geben: nach vorne. Es ist das Endspiel im Kampf um die Relegation. Nur ein Sieg zählt.
Die Formkurve der beiden Teams
Borussia Mönchengladbach konnte zuletzt aufatmen. Nach einer schwierigen Phase blieb das Team von Trainer Hecking zuletzt drei Mal in Folge ungeschlagen (sieben Punkte). Neben dem beachtlichen 1:1 beim neuen Vizemeister Schalke 04, konnten mit dem 3:0 gegen Wolfsburg und dem 3:1 gegen Freiburg wieder überzeugende Heim-Siege gefeiert werden, nachdem es zuletzt auch Stress mit Teilen des Publikums gegeben hatte. Zur Winterpause stand die Borussia noch auf Rang sechs der Tabelle, punktgleich mit dem Dritten (!). Auch zu Platz zwei fehlten nur zwei Punkte.
Beim Hamburger SV hat die Euphorie durch die Pleite in Frankfurt einen empfindlichen Dämpfer erlitten. Zuletzt schaffte es der neue Trainer Titz mit Ballbesitzfußball und mutigen Spiel nach vorne, Siege gegen Schalke (3:2), Freiburg (1:0) und Wolfsburg (3:1) einzufahren. Stellvertretend für den Aufschwung stand Mittelfeldmann Lewis Holtby, der eine Leistungsexplosion erlebte.
Die Stimmen vor dem Spiel
In Mönchengladbach freuen sie sich auf den letzten Spieltag und die Chance, noch etwas zu reißen. „Die Konstellation ist klar: Wir müssen in Hamburg gewinnen, um die kleine Chance auf den Einzug in den Europapokal zu erhalten. Und das gehen wir jetzt an“, so Trainer Dieter Hecking gegenüber dem „kicker“. „In Hamburg zu gewinnen, wird erstmal schwer genug. Wir sollten uns daher nicht darauf konzentrieren, wer von den drei Mannschaften vor uns am letzten Spieltag patzen könnte“, ordnet Hecking die Lage realistisch ein. Sportdirektor Max Eberl weist darauf hin, dass diese Situation so nicht unbedingt vorherzusehen war: „Wir haben immer noch die Chance etwas zu erreichen. Wir sind im Rennen geblieben. Und wer hätte vor zwei Monaten gedacht, dass wir – auch wenn die Chance klein zu sein scheint – die Möglichkeit haben, etwas zu schaffen? Klar müssen die anderen verlieren, natürlich spielt vielleicht auch das DFB-Pokalfinale am Ende eine Rolle. Aber trotzdem sind wir mit dabei. Das ist eine Situation, über die ich mich sehr freue.“
Die Stimmung beim Hamburger SV ist relativ gelöst. Der Abstieg hat sich schon so lange angedeutet, als dass es eine Überraschung wäre, wenn der HSV nun tatsächlich in Liga zwei muss. Trainer Titz hat es geschafft, wieder positive Dinge mit dem HSV in Verbindung zu bringen. Kapitän Gotoku Sakai hat nach einer Trainingseinheit gar Eis für die Trainingsbesucher spendiert. Die Aktion kam auch bei Trainer Titz sehr gut an. „Die Mannschaft hätte sich das mit Blick auf die Vielzahl an Kindern nach der Einheit spontan überlegt, das hat mir gut gefallen“, so Titz. Und die Stimmung in Hinblick auf das Spiel gegen Mönchengladbach? „Bei dem einen oder anderen ist durchaus zu merken, dass ihn das Spiel vom Wochenende noch beschäftigt“, so Titz. „Aber wir lenken jetzt den Fokus voll auf Mönchengladbach.”