Vor dem Auftakt Deutschlands gibt sich dessen WM-Gegner selbstbewusst. Der Escort-Skandal scheint verflogen. Die wohl wichtigste Frage für Löw wird sein: Wie fit ist Mexikos Superstar?
„Schweinchen in der Mitte“ kann ein brutales Spiel sein. Jedenfalls für denjenigen, der vergeblich um den Ball kämpft, weil alle um ihn herum besser und jünger sind. Am gestrigen Vormittag war es Humberto Sierre, der Assistenztrainer Mexikos.
Sein Auftritt sorgte für viele Lachanfälle bei den Spielern. Sierras Bauch schwabbelte am Anfang, seine Baseballkappe rutschte ihm vom Kopf, der Schweiß brannte in den Augen, und dann fiel er auch noch hin. Die Spieler johlten.
Die Laune in der mexikanischen Mannschaft vor dem Auftaktspiel in Russland ist also bestens. Bei der Passübung dürfen sie untereinander die Fehler mit kleineren Attacken bestrafen – Superstar Chicharito und dessen Kollegen bekommen sich vor Lachen kaum ein, treten sich gegenseitig in den Hintern, schnipsen an den Ohrläppchen und schlagen sich auf den Nacken.
Die Stärke von Chicharito
Osorio war zum Start am Donnerstag komischerweise nicht dabei. Denn er steckte mit Stangen und Hütchen auf einem anderen Platz das Spielfeld für weitere Trainingspartien auf. Während Löw diese Arbeiten meist von den Assistenten ausführen lässt, nimmt es Osorio selbst in die Hand – täglich.
Das Trainingsquartier der Mexikaner nördlich von Moskau ist teilweise moderner als das Quartier der Deutschen. Das Hotel befindet sich gleich um die Ecke, der Rasen scheint perfekt, das Gelände ist von viel Grün umgeben. Doch die Organisation ist schlecht: Die Sicherheitskontrollen der Pressekonferenz dauern zu lange, fast die Hälfte aller Reporter kommt zu spät – obwohl Journalisten extra eine halbe Stunde früher kommen. Die russischen Sicherheitskräfte prüfen die Taschen der Kameraträger sogar mit Polizeihunden auf Sprengstoff.
In der mexikanischen Mannschaft spielen drei Fußballer, die die deutschen Fans gut kennen dürften: Mittelfeldprofi Fabián, Innenverteidiger Salcedo, beide aus Frankfurt, und Stürmer Chicharito, der einst für Leverkusen spielte.
Auf den Angreifer sind in diesen Tagen alle Augen gerichtet: Wird er von Beginn an spielen? Die meisten gehen davon aus, obwohl der Profi bei West Ham United nicht immer eingesetzt wurde und auch in der Nationalmannschaft an Glanz verloren hat.
Dass Löw sich bei der WM für Neuer entschieden hat, wunder mexikanische Reporter und Verbandsmitarbeiter. „Er war ein Jahr lang verletzt! Wieso nicht ter Stegen?“, wird immer wieder gefragt.
Auch Osorios Plan sorgt hierzulande und in Mexiko für Unverständnis. Der Trainer hat nie mit derselben Elf gespielt und häufig das System verändert. Viele der mexikanischen Fans sind skeptisch.
Salcedos erinnert sich ans Pokalfinale
„Am Sonntag wollen wir alles geben. Unsere Mannschaft kann große Taten vollbringen. Es wird ein interessantes Spiel“, sagt Salcedo aus Frankfurt. Löw ist bereits dabei, seine Spieler vor Mexiko zu warnen. Es handle sich um einen Gegner, der einem alles abverlangen und sehr aggressiv verteidigen werde, sagte der Bundestrainer. Tatsächlich konzentrierte sich Osorio im Training verstärkt auf das Pressing, also das frühe Attackieren. Auch schnelles Umschalten stand auf dem Plan. „Schneller passen! Schneller spielen!“, rief er während der Trainingseinheit immer wieder. Er selbst trug eine Sonnenbrille und gestikulierte wild mit den Armen. Am Sonntag werde Mexiko auf Augenhöhe sein, betonte Osorio kürzlich.
