Bundestrainer Joachim Löw steht vor einer riesigen Herausforderung und braucht dringend eine gute Strategie. Noch mehr als das schwächelnde Team steht er im Zentrum der Kritik.
Als das gesamte Stadion auf den Punkt blickte, von welchem die Nationalmannschaft den Freistoß gegen Schweden ausführen sollte, passierte auf der Ersatzbank der Deutschen etwas Erstaunliches. Joachim Löw nahm sein schwarz-rot-goldenes Glücksarmband ab. Was auch immer ihn dazu bewegt hat, es abzulegen, scheinbar hat es geholfen. Löw hat ein Faible für solche Dinge. Viele Jahre trug er auch einen blauen Glückspullover bei wichtigen Spielen.
Seit dem WM-Finale 2014 besitzt er ein Shambhala-Armband, ein buddhistisches, aus elf Perlen bestehendes Accessoire, welches auf einen mystischen Ort im Himalaja verweist. Den Buddhisten nach kann dieser Ort erst gefunden werden, wenn sich das Bewusstsein des Suchenden verändert.
Genau vor dieser Aufgabe befindet sich der Bundestrainer täglich. Denn bisher lief es nicht sehr glatt für die deutsche Elf. Und hätten der Mannschaft in Sotschi nicht höhere Mächte geholfen, hätte der DFB-Tross wahrscheinlich schon die Tickets für den Rückflug buchen können. Nun aber wird es ein letztes Spiel in der Vorrunde gegen Südkorea geben.
Noch mehr als sein Team wird selbst Löw kritisiert. So habe es in der Umkleidekabine zur Halbzeitpause keine flammende Rede gegeben. Stattdessen habe Löw die Spieler im Glauben an sich selbst gestärkt. Er soll den ihnen mitgegeben haben, dass sie ihre Nerven nicht verlieren sollen. Das fand nicht bei allen Anklang.
Löw's Herausforderung
Der Bundestrainer befindet sich inmitten einer sehr holprig verlaufenen WM und steht vor einer riesigen Herausforderung. Denn es ist bekanntermaßen schwieriger, den Titel zu verteidigen, als ihn zu erringen. Die allermeisten Mannschaften sind an dieser Aufgabe in der Vergangenheit gescheitert. Zu groß war die Erwartungshaltung, zu groß die Last des Siegenmüssens. Doch Löw wäre nicht Bundestrainer, wenn er nicht über den Ehrgeiz verfügte, um genau das zu erreichen. Nach dem Pokalgewinn in Brasilien verschenkte er ein Originaltrikot aus dem Finale an seinen Manager. Darauf platzierte er eine Widmung. „Wenn man schaffen möchte, was man noch niemals hatte, muss man tun, was man noch nicht gemacht hat.“
In der Partie gegen Schweden fokussierte sich Löw auf diese chinesische Weisheit und wusste nicht nur durch eine veränderte Startelf zu überzeugen, in welcher beispielsweise Sebastian Rudy von Beginn an spielte (und bis zu seiner Verletzung ein tolles Spiel hinlegte). Darüber hinaus justierte Löw das System der Nationalelf in der Halbzeitpause derart um, dass Deutschland in der zweiten Hälfte nicht nur deutlich mehr Ballbesitz, sondern auch ein klares spielerisches Übergewicht hatte. Es folgten zahlreiche gute Torgelegenheiten. Dennoch dauerte es etwas, bis der Sieg feststand. Der entscheidende Moment war die 95. Minute.
Die Gefühlsexplosion nach dem Traumtor Kroos' sowie die anschließende Euphorie gaben der Mannschaft die nötige Ladung Selbstvertrauen, um nicht nur mit einem Sieg gegen Südkorea vom Platz zu gehen, sondern auch um möglichst viele Tore zu erzielen. Denn es ist wichtig, einen Punktegleichstand und somit den drohenden Losentscheid gegen Mexiko und Schweden zu umgehen. Falls es doch so weit kommen sollte, muss Löw eben wieder das Glücksarmband ablegen.