Rückwirkend betrachtet kann das gesamte deutsche Team den gestrigen Abend völlig vergessen. Eine besondere Enttäuschung erlebten außerdem Mesut Özil und Ilkay Gündogan. Denn die beiden Spieler der Nationalelf wurden von großen Teilen der Fans mit Pfiffen begrüßt.
Irgendwie passt es zu dem gesamten Abend, dass man das Testspiel Österreichs gegen die DFB-Elf mit rund 100 Minuten Verspätung anpfiff. Denn es war ein schweres Unwetter über das Stadion am Wörthersee hinweggezogen, fast wäre sogar die Partie daran gescheitert. Darauf, dass das Spiel im Endeffekt noch stattfand, hätten die deutschen Nationalspieler im Nachhinein wahrscheinlich gerne verzichtet.
Kurz vor dem Beginn des Weltturniers erlebte einer der größten Favoriten ein Debakel gegen Österreich. Mit 1:2 verlor der Titelverteidiger gegen die nicht einmal für die Meisterschaft qualifizierten Nachbarn. Es handelte sich dabei um Österreichs ersten Sieg gegen Deutschland seit 32 Jahren.
Bei der Regenschlacht in Klagenfurt muss sich einer ganz besonders blöd vorgekommen sein: Ilkay Gündogan. Der Mittelfeldspieler stand von Beginn an im Unmut vieler Fans. Bereits bei der Nationalhymne erntete er vereinzelte Pfiffe, später pfiff man ihn dann bei fast jeder Ballberührung aus.
Unbeeindruckt blieb der 27-Jährige davon nicht. Er wirkte ständig angefressen, beging in der ersten Halbzeit sogar ein Frustfoul, geriet mit dem Schiedsrichter in einen Streit und ließ infolgedessen die normalerweise vorhandene defensive Stabilität in seiner Spielart vermissen. Er zeigte sich auf der Kroos-Position überfordert und machte zu viele Fehler, die im Nachhinein zur Niederlage führten.
Insgesamt lässt sich der Auftritt des Manchester City Stars als recht schwach bewerten, was allerdings an diesem Abend für fast jeden deutschen im Team galt. In Minute 56 erlöste Trainer Löw den Gelsenkirchener, stattdessen kam Leon Goretzka ins Spiel. Während Gündogan vom Platz lief, bekam er erneut Pfiffe.
Müller schützt seine Kollegen
Es scheint ganz so, dass Teile der DFB-Anhängerschaft ihm immer noch übel nehmen, dass er zusammen mit Mesut Özil den türkischen Präsidenten Erdogan getroffen hat. Vor etwa drei Wochen hatten Fotos von diesem Treffen ein gewaltiges Echo ausgelöst.
Auch als Özil ausgewechselt wurde, durfte er sich von dem einen oder anderen Zuschauer im Wörthersee-Stadion Pfiffe anhören – und das obwohl er zuerst das Führungstor für die Deutschen in Minute 11 erzielt hatte. Nach dieser Aktion aber tauchte Özil ab und konnte dem offensiven Spiel seiner Mannschaft nicht die entscheidenden Impulse geben.
Der der Nationalstürmer, Thomas Müller, schützte seine beiden Kollegen gegen die übermäßig geäußerte Kritik. Zwar könne er verstehen, dass einige Leute von ihrem Auftritt irritiert gewesen seien, doch man habe intern darüber gesprochen und alle Unklarheiten aus dem Weg geräumt. „Wir haben das Thema für uns nun abgehakt“, sagte Müller.
Auch Oliver Bierhoff, Teammanager der deutschen Nationalmannschaft, hatte vor zunehmender Kritik an Gündogan und Özil gewarnt. „Ilkay und Mesut sind junge Menschen. Es ist nicht nötig, sie auf ewig zu verdammen“, erklärte Bierhoff jüngst in einem Interview.
„Auch erfahrenen und hoch qualifizierten Politikern passiert es noch, dass sie Fehler machen, ins Fettnäpfchen treten oder falsche Signale aussenden – und dann geht es immer weiter. Ich denke, dass für Fußballer keine andere Maßstäbe gelten sollten“, ermahnte Bierhoff.