Welche Qualitäten hätte das Spiel nur annehmen können? Das Finale in Berlin im gediegenen Ambiente des Olympiastadions, die Hymne, halb Deutschland und zahlreiche Europäer live am Fernsehen, wenn der berüchtigte FC Bayern München gegen den kleinen Außenseiter Eintracht Frankfurt antritt.
Ein tolles Fest, vor allem dann, wenn man aus dem Berliner Wedding kommt und dort in betonierten Fußballkäfigen erstmals das Kicken lernte. Hinzu kommt, dass der eigene Bruder im gegnerischen Team steht.
Umso enttäuschender ist jetzt die Nachricht, dass Kevin-Prince Boateng aus Frankfurt seinen Bruder Jérôme Boateng aufgrund einer Muskelverletzung nicht zu Gesicht bekommen wird, er wird keinen Zweikampf führen können, keine Chance zum familiären und fairen Duell. Allein schon deshalb, weil Jérôme Boateng unbedingt vollständig ausheilen muss, damit sein Einsatz bei der WM im Juli nicht gefährdet ist.
Beide Brüder sind enttäuscht
Der ältere Bruder erläuterte, was diese Konstellation für sie bedeutet. „Es ist etwas sehr Besonderes und wird hoch emotional. Ich wollte dieses Spiel schon immer spielen, statt es bloß im Fernsehen anzusehen. Die Familie Boateng ist natürlich wenig erfreut darüber. Wir beide sind sehr enttäuscht“, sagte Kevin-Prince Boateng offenherzig in einem Interview, weil sein jüngerer Bruder nicht aktiv teilnehmen, sondern von der Bank oder der Tribüne aus zuschauen muss.
Enge Freunde und Familie werden im Olympiastadion mit dabei sein. „Wenn alle hätten glücklich sein sollen, dann hätte ich wahrscheinlich einen halben Block reservieren müssen, so ca. 7000 Karten“, berichtete Kevin-Prince.
Obwohl Frankfurt krasser Außenseiter ist, sind nicht alle Chancen für den Klub verloren. „Im Fußball gibt es immer Überraschungen, wieso nicht auch Samstag? Es wäre überragend, den Pott zu holen“, sagte Boateng.
Das Double für Bayern
Natürlich weiß der Mann aus dem Mittelfeld, dass sein Team den Außenseiter stellt. „Es wird schwierig für uns werden. Die Bayern möchten unbedingt ein Double für Heynckes holen. Daher dürfen wir uns nicht fürchten und müssen stattdessen mutig mit breiter Brust auftreten und alle Möglichkeiten nutzen.“
Zum letzten Mal kam es zu einem Bruder-Duell bei der WM im Jahr 2010 – einer für Ghana, einer für Deutschland. Damals stilisierte man das Vorrundenspiel zum Bruderkrieg, weil sich die beiden unterschiedlichen Typen verkracht hatten. Der Grund hierfür war Kevin Boatengs Foul im FA-Cup-Finale, bei welchem er den damaligen Kapitän Michael Ballack verletzte und um die Teilnahme an der WM brachte. Mittlerweile herrscht wieder Frieden.
Während Jérôme ein ruhiger Typ ist, gilt der ältere Bruder als einer, der kaum zu bändigen ist. Er ist ein Typ, der sich allein aus Geltungssucht schon einmal drei Autos am selben Tag gekauft haben soll. Doch diese Zeit des heute 31-Jährigen ist vorbei. „Es war hart für mich und alles andere als einfach, mein Image zu ändern“, kann er heute bestätigen. Früher war er der Bad Boy, weil er es gebraucht hat. „Ich fand es cool, doch jetzt bin ich erwachsen und habe andere Prioritäten.“ Zu diesen zählen vor allem seine Kinder Maddox und Jermain-Prince.
Triumphe und Pokale sind ihm stattdessen weniger wichtig geworden. Viel lieber ist es ihm, aufgrund seiner Menschlichkeit wahrgenommen zu werden. Tatsächlich hat ihn diese Einstellung schnell zu einer Führungsfigur in Frankfurt gemacht.