DFB-Maulkorb sorgt für Unruhe: “Größte Krise, seit ich denken kann”

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Die Krise der deutschen Nationalmannschaft weitet sich mehr und mehr auf den gesamten DFB aus. Vor der Tagung der Landesverbände sorgt nun ein Maulkorb für Unruhe. Ist Präsident Reinhard Grindel nur noch der Kapitän eines sinkenden Schiffes?

Bundestrainer Joachim Löw, die Co-Trainer Thomas Schneider und Marcus Sorg sowie Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff diskutieren und analysieren seit Mittwoch in der DFB-Zentrale in Frankfurt und wollen herausfinden, was bei der Weltmeisterschaft in Russland schief lief. Am Freitag tagt das Präsidium ebenfalls. Offiziell soll es dabei aber vor allem um die Bewerbung für die Ausrichtung der Europameisterschaft 2024 gehen. Eine größere WM-Analyse ist erst für den 24. August angesetzt.

Erste Ergebnisse oder Erkenntnisse sind noch nicht an die Öffentlichkeit gelangt. Äußerungen zum Stand der Gespräche? Fehlanzeige. Ebenso wurden die Vertreter der Landesverbände vor ihrer Tagung aufgefordert, von öffentlichen Statements abzusehen. Dieser Maulkorb kommt nun gar nicht gut an. “Ich als in der DDR Geborener dachte, diese Zeiten sind vorbei”, so ein aufgebrachter Hermann Winkler im ZDF-Morgenmagazin. Winkler ist der Präsident des sächsischen Fußball-Verbandes. “Diese unerbetene Kommunikationshilfe war wirklich unnötig. Wir sind alle gewählte Präsidenten, Vertreter der Vereine und Fans, wir bekommen die Fragen gestellt. Wenn intern keine bessere Kommunikation da ist, dann können wir das auch nicht nach außen weitergeben. Und deshalb: Meine Fans, meine Vereine, meine Mitglieder haben ein Recht darauf zu wissen, was tut ihr, wie ist der Stand der Dinge. Und da ist es gut, wenn man kommuniziert. Wir haben eine Krise, und es ist die größte, seit ich denken kann, im DFB, in der Nationalmannschaft. Und das heißt: Abducken hilft uns nicht weiter. Offen kommunizieren gehört für zum demokratischen Umgang gerade auch im Sport dazu”, so Winkler weiter.

Will der DFB die Analyse unter den Tisch fallen lassen?

“Wir müssen gemeinsam analysieren”, versuchte Winkler nach vorne zu blicken. “Präsident Grindel ist sehr oft in den Vereinen. Wir wissen, wie die Mitglieder ticken, wir müssen es bloß auf die Schiene bringen und den Neustart wagen. Vor allem Inhalte besser kommunizieren und durchsetzen, dass wir wieder Akzeptanz haben.” Allerdings wäre die “Stimmung mies”, so Winkler.

Das Aus der DFB-Elf bei der WM in Russland liegt nun bereits 22 Tage zurück. Dass die Analyse erst am 24. August dem Präsidium vorgelegt werden soll, hat für Winkler einen merkwürdigen Beigeschmack. “Das erweckt den Eindruck, dass das in den Trubel des Bundesliga-Beginns fallen soll, damit es nicht so auffällt, was da schiefgelaufen ist. Das ist keine Transparenz.” Und tatsächlich startet just an diesem 24. August die neue Bundesliga-Saison – mit dem Eröffnungsspiel FC Bayern München gegen die TSG 1899 Hoffenheim.

Auf die Kritik aus dem Landesverband Sachsen hat die DFB-Führung noch nicht reagiert. Präsident Reinhard Grindel war in den letzten Wochen um Schadensbegrenzung bemüht, die aber mehr und mehr nach hinten losging. Die plötzliche Kritik an Özil und Gündogan, die voreilige Rückendeckung für Bundestrainer Joachim Löw, die verschleppte WM-Analyse, eine intransparente Kommunikation – die DFB-Führung macht derzeit keinen guten Eindruck und muss sich dringend öffnen und knallharte Ergebnisse liefern.

Bereits am 6. September (20.45 Uhr, München, Allianz-Arena) bestreitet die deutsche Nationalmannschaft das erste Pflichtspiel nach der verkorksten Weltmeisterschaft: in der neu geschaffenen Nations League trifft die Elf von Trainer Löw auf Weltmeister Frankreich. Drei Tage später geht es in einem Testspiel gegen Peru.