Spieler, Offizielle und Fans von Borussia Dortmund waren am Sonntagabend so richtig bedient, als der BVB mit dem 2:2-Unentschieden bei Eintracht Frankfurt mal wieder wertvolle Punkte in der Bundesliga verschenkt hatte. Wie schon in Köln und bei Union Berlin lieferte die Borussia ein Auswärtsspiel ab, das einem selbsternannten Anwärter auf die Deutsche Meisterschaft nicht würdig war. Dass in Dortmund die Nerven so früh in der Saison bereits blank liegen, bewies das schnell zu einem Hit bei Youtube gewordene Interview mit Kapitän Marco Reus nach dem Schlusspfiff. Der Kapitän wollte die Frage nach der Mentalität nicht mehr hören. Sie steht aber weiterhin im Raum. Ebenso wie die Frage, ob Lucien Favre noch der richtige Trainer für den BVB ist. Die Kritik an dem introvertierten Schweizer wächst.
Auch Lucien Favre wirkte im Interview nach der Frankfurt-Partie ungewohnt dünnhäutig. Der Coach hatte selbst keine passende Erklärung dafür, dass seine Mannschaft zwei Mal eine Führung leichtfertig verspielt hatte. Mit einem Sieg wäre beim BVB alles im grünen Bereich gewesen, jetzt ist die Stimmung wieder im Keller.
Favre findet keine Erklärung
Es sei heutzutage nicht möglich, ein Spiel über die vollen 90 Minuten zu dominieren. Das war einer der merkwürdigen Erklärungsversuche Favres, der sich außerdem an der mangelnden Chancenverwertung seiner Spieler abarbeitete.
Natürlich hätte der BVB das Match frühzeitig entscheiden müssen. Selten war es wohl leichter, in Frankfurt zu gewinnen. Die Eintracht wirkte nach der anstrengenden Partie gegen Arsenal am Donnerstag ziemlich platt, insgesamt war Dortmund drückend überlegen.
Chronische Auswärtsschwäche des BVB
Dass die Borussia gute Chancen vergab und der letzte Pass oft zu ungenau kam, ist zweifellos korrekt. Tatsache ist aber auch, dass der BVB trotzdem mit 2:1 führte, als die vorletzte Spielminute anbrach. Statt diesen Vorsprung aber souverän über die Zeit zu bringen, wurde die Eintracht fast schon zum Ausgleich eingeladen.
Diese seltsame Passivität war schon in der Rückrunde der vergangenen Saison zu beobachten. Der BVB tritt – vor allem auswärts – nicht auf wie ein Meisterschaftskandidat. “So spielt keine Spitzenmannschaft”, stöhnte dann auch Sportdirektor Michael Zorc nach dem Abpfiff in Frankfurt.
Der Trainer wirkt ratlos
Das Problem ist bekannt in Dortmund. Allerdings macht es den Eindruck, als sei der Trainer nicht in der Lage, etwas am Auftreten der Mannschaft zu ändern. Nach der peinlichen Niederlage in Berlin hatte Marco Reus gesagt: “Es geht eben nicht nur spielerisch. Wir müssen in solchen Spielen auch physisch dagegen halten.”
Und trotzdem erlebten die BVB-Fans in Frankfurt wieder dasselbe Muster: Im Gefühl der deutlichen Überlegenheit starb der BVB in Schönheit. Die Offensive um die hochbegabten Edel-Techniker Sancho, Alcacer und Reus versuchte lieber den dritten Doppelpass und den vierten Absatzkick, statt konsequent einen erfolgreichen Torabschluss zu suchen.
Keine Emotionalität auf der Trainerbank
Vor wenigen Monaten hatte die Bild-Zeitung berichtet, dass selbst die Dortmunder Spieler sich eine andere Ansprache ihres Trainer wünschen würden.
Lucien Favre fehlt es an Leidenschaft und Feuer. Und auch die Fußball-Philosophie des Schweizers ist geprägt von Vorsicht und purer Kontrolle. Es gibt schlichtweg keinen Plan B. Und schon gar keine “wilde Fahrt”, die unter Jürgen Klopp immer dann abging, wenn Spiele über den Willen gewonnen werden mussten.
Endspiel für Favre gegen Werder?
Es gibt in Dortmund nicht wenige, die sich schon im vergangenen Sommer einen Neuanfang auf der Trainerposition gewünscht hätten. Hinter vorgehaltener Hand sagt man beim BVB, dass man mit einem Trainer wie Lucien Favre niemals einen Titel gewinnen wird.
Bleibt die Frage: Wer wäre eine Alternative? Zumal in einer laufenden Saison? Um diese Fragen werden die BVB-Bosse spätestens dann nicht mehr herumkommen, wenn am kommenden Samstag gegen Bremen kein Heimsieg gelingt.