Der große Umbruch des BVB soll im kommenden Sommer vollzogen werden. Mal wieder! Mit Lucien Favre kommt ein Trainer, der nachweislich Mannschaften besser macht – birgt aber auch Gefahren. Marcel Schmelzer stellt sein Kapitänsamt zur Verfügung und nun soll auch der Kader umgekrempelt werden? Ist das die Lösung?
Die abgelaufene Saison war für den BVB sicherlich eine harte Bewährungsprobe. Wenn die Borussen eines waren, dann ein Muster an Inkonstanz. Fehlende Spielkultur, Abwehrfehler am Fließband und Rochaden auf der Trainerbank. So etwas soll es ab der kommenden Saison nicht mehr geben. Der Verein soll endlich in “ruhigere Fahrwasser” eintauchen, wie Sportdirektor Michael Zorc schon vor Monaten die Marschroute ausgab. Mit den erfahrenen Trainer Lucien Favre – dessen Verpflichtung am Dienstag offiziell gemacht wurde – soll dies geschehen.
Zudem sollen die Westfalen das verloren gegangenen Vertrauen der Fans aufgrund fehlender spielerischer Kultur wieder zurück gewinnen. Doch ist dies mit einem Trainerwechsel zu bewerkstelligen, der durchaus auch Konfliktpotential birgt? Und wer muss im Sommer den Verein lassen? Wird Marco Reus neuer Kapitän und bürgt sich damit eine große Last auf? Fragen über Fragen, die es gilt zu beantworten.
Lucien Favre: Der Bessermacher
Der Schweizer Lucien Favre hat sich in seinen bisherigen Trainerstationen – unter anderen Hertha BSC Berlin, Borussia Mönchengladbach und OGC Nizza – stets den Ruf erworben, Mannschaften zu formen und in der Folge das Beste aus ihnen herauszuholen. Dies tut er mit einer Akribie die im europäischen Fußball seinesgleichen sucht und wohl nur durch Pep Guardiola übertroffen werden kann.
Er hat die Berliner Hertha (2007 – 2009) zurück ins europäische Geschäft geführt. Gleiches hat er bei Borussia Mönchengladbach (2011 – 2015) getan nachdem er sie vor dem Abstieg gerettet hat. Und bei den Franzosen von OGC Nizza hat er das Kunststück fertig gebracht sie bereits im ersten Jahr erstmals in die Champions League-Qualifikation zu bringen.
Also alles positive Vorzeichen für den BVB – möchte man meinen.
Allerdings zeigt Lucien Favre auch ein Kehrseite (bei jedem Verein). Zum Ende seiner “Dienstzeit” geht es regelmäßig auch bergab mit den Vereinen. Das war in Berlin und in Gladbach so. Und es wiederholte sich auch in Nizza. Das hängt damit zusammen, dass sich der Fußballlehrer Kritik an seinem Schaffen sehr zu Herzen nimmt und mit Unverständnis reagiert. Das führt zu Konflikten, die den Beteiligten arges Kopfzerbrechen bescheren.
Jeder seiner Mitstreiter bestätigt diese Facetten – lässt aber auf der anderen Seiten keinen Zweifel darüber enstehen, dass seine fachlichen Qualitäten, diese Unstimmigkeiten bei weitem Überwiegen.
Baustellen beim BVB: Mit Altlasten aufräumen
Die sportlich Verantwortlichen beim BVB um Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und Michael Zorc lassen dieser Tage keinen Zweifel daran entstehen, dass sie den Verein im Sommer neu aufstellen wollen und die “Altlasten” der vergangenen beiden Spielzeiten hinter sich lassen wollen.
Ein erster Schritt war die Verpflichtung von Lucien Favre, der im Mittelpunkt des ganzen Vorhabens stehen soll. Er war zudem bereits im Vorjahr nach der Demission von Erfolgstrainer Thomas Tuchel – Option A. Doch der OGC Nizza erteilte kein Freigabe für den Fußballlehrer. So folgte auf Tuchel eben Bosz und später Stöger. So wurde mit Ach und Krach die Qualifikation für die Champions League geschafft. Das soll sich nicht wiederholen.
Die nächste wichtige Instanz umfasst das Kapitätnsamt. Da passt es wohl sehr gut in den Kram, dass der bisherige Kapitän Marcel Schmelzer sein Amt am Dienstag zur Verfügung gestellt hat. Er beschrieb diese Maßnahme mit den “kräftezehrenden” beiden letzten Jahren und bürdete den höchstwahrscheinlich nächsten Kapitän Marco Reus eine große Verantwortung auf. Allerdings hat es Schmelzer in seiner “Amtszeit” konsequent unterlassen, genau diese Tugenden zu verkörpern, die ein Kapitän haben muss: Mut, Stärke und Entschlossenheit in schwierigen Situationen voran zu gehen. Ob das Reus besser kann, das wird sich zeigen, aber es ist ein erster Schritt.
Neuanfang vorantreiben
Ein nicht ganz unwichtiger Schritt ist auch die Kaderzusammenstellung für die kommende Saison. Ob sich dann Namen wie Andre Schürle, Nuri Sahin, Marcel Schmelzer oder auch Shinji Kagawa darin wiederfinden werden, dass muss in erster Linie der neue Trainer entscheiden. Die Leistungen jener Spieler entsprach – aus den verschiedensten Gründen – nicht der Vorstellung, die man eigentlich von ihnen erwartete. So müssen sie wohl zittern.
Interessant dürfte auch werden, was aus umworbenen Leistungsträgern und Talenten wie Julian Weigl, Christian Pulisic und Jadon Snacho wird. Und nicht zuletzt gilt es zu klären was mit dem noch verletzten – von Chelsea ausgeliehenen – Michy Batshuayi wird, der eigentlich ab 1. Juli wieder in der Premier League auflaufen müsste, aber doch gerne beim BVB blieben möchte.
Eine Menge Baustellen für die Verantwortlichen und für den neuen Trainer. Man kann nur hoffen, dass sie es diesmal hinbekommen.