Was für eine Ekstase im Stadion an der Alten Försterei und im ganzen Berliner Stadtteil Köpenick: Der 1. FC Union Berlin hat durch ein 0:0-Unentschieden im Relegations-Rückspiel gegen den VfB Stuttgart den Aufstieg in die erste Bundesliga perfekt gemacht. Nach dem Schlusspfiff brachen alle Dämme: Die Fans strömten auf den Rasen, die Spieler wurden auf Händen getragen, es flossen literweise Freudentränen. Während bei Union die Aufstiegsparty sofort in vollem Gange war, herrschte beim VfB Stuttgart das blanke Entsetzen. Der schwäbische Traditionsverein muss den zweiten Abstieg innerhalb von drei Jahren verkraften. Der VfB steht jetzt vor einem Scherbenhaufen.
Nein, es war wahrlich kein Spiel für Fußball-Feinschmecker – aber das war den Unionern nach der Partie völlig egal. Das Rückspiel gegen den VfB Stuttgart wird bei Union Berlin vermutlich als das schönste 0:0 aller Zeiten in die Vereinsgeschichte eingehen.
Stuttgart in der ersten Halbzeit klar besser
Denn das torlose Remis reichte den Köpenickern nach dem 2:2 im Hinspiel zum Aufstieg. Damit wird Union der insgesamt 56. Verein, der den Sprung ins deutsche Fußball-Oberhaus geschafft hat. Dabei sah es vor allem in der ersten Halbzeit so aus, als würde der VfB Stuttgart seiner Favorienrolle doch noch gerecht werden.
Die Schwaben waren das klar bessere Team und hätten schon nach drei Minuten in Führung gehen können, als Ozan Kabak nach einer Ecke zum Abschluss kam – aber Unions Keeper Rafal Gikiewicz blockte den Ball mit dem Körper ab.
Treffer von Aogo zählt nicht
Die letztlich entscheidende Szene ereignete sich dann bereits in der 9. Minute: Dennis Aogo hatte per Freistoß aus 17 Metern das vermeintliche 1:0 für den VfB Stutttgart erzielt.
Während die Schwaben feierten und die Spieler schon wieder am Mittelkreis standen, schritt Schiedsrichter Christian Dingert allerdings in die Review-Area. Der Referee schaute sich die Szene noch einmal an und nahm das Tor zum Entsetzen des VfB schließlich zurück. Nicolas Gonzalez hatte im Abseits gestanden und Keeper Gikiewicz die Sicht genommen.
Riesiges Glück für Union
Der Torwart von Union sagte nach dem Schlusspfiff zwar freimütig, dass Gonzalez ihn in keiner Weise behindert habe. Und es ist tatsächlich davon auszugehen, dass der Keeper den Ball auch ohne den Stürmer in seinem Sichtfeld nicht gehalten hätte.
Großes Glück also für Union, denn ob der Abend auch mit diesem VfB-Treffer ein Happy End genommen hätte, ist mehr als fraglich. VfB-Kapitän Christian Gentner sagte später: “Das Tor hätte uns natürlich extrem gut getan. Aber wir wollen jetzt auch nicht die Schuld beim Schiedsrichter suchen.”
Abdullahi vergibt die Entscheidung
Offensiv kam von Union in der ersten Halbzeit absolut gar nichts. Die Gastgeber verteidigten mit viel Leidenschaft, waren spielerisch aber deutlich unterlegen. VfB-Trainer Nico Willig reagierte und brachte Mario Gomez für die zweite Hälfte, der VfB musste jetzt noch mehr riskieren.
Während Stuttgart sich trotz der optischen Überlegenheit abert kaum nennenswerte Chancen herausspielen konnte, hätte Union bei zwei Kontern fast den Sack zugemacht: Suleiman Abdullahi traf gleich zwei Mal den Pfosten (65. / 68.).
Willig: “Passendes Ende einer Horror-Saison”
Am Ende war es eine reine Abwehrschlacht: Der VfB rannte an, Union verteidigte mit letztem Einsatz. Die Spannung war zum Greifen und entlud sich in einer Explosion der Freude, als Schiedsrichter Dingert nach fünf Minuten Nachspielzeit abpfiff.
VfB-Sportvorstand Thomas Hitzlsperger schlug fassungslos die Hände vor dem Gesicht zusammen, Interimstrainer Nico Willig fasste die letzten zwölf Monate treffend zusammen: “Für den VfB war es von Anfang an eine Horror-Saison – und das ist jetzt das treffende Ende.” Torwart Ron-Robert Zieler sprach von einer “brutalen Leere” und Präsident Wolfgang Dietrich ließ ausrichten, er sei “schwer geschockt”.
VfB peilt den Wiederaufstieg an
Der VfB muss also den Gang in die Zweitklassigkeit antreten, dort werden die Schwaben in der kommenden Saison mit Hannover 96, dem Hamburger SV und dem 1. FC Nürnberg um die Aufstiegsplätze kämpfen. Leicht wird der direkte Wiederaufstieg sicherlich nicht. Für Union Berlin und seine großartigen Fans beginnt hingegen das Abenteuer in der ersten Bundesliga – man darf gespannt sein.