Was für ein Fußballmärchen! Im Rekordtempo vom Kreisligaspieler zum Bundesliga-Profi und prompt Torschütze im Pokal und in der Liga. Hendrik Weydandt (23) muss sich derzeit wohl kneifen, wenn er morgens aufsteht. Nun gibt es massenhaft Lob für den Überraschungsstürmer.
In Zeiten, in denen dreistellige Millionenablösen, Instagram-Poser, vorgefertigte Pressemitteilungen, Retorten-Klubs oder künstlich erzeugte Stimmung die Fußball-Schlagzeilen bestimmen, tut eine solche Meldung besonders gut. Hendrik Weydandt ist im Alter von 23 Jahren in der 1. Bundesliga angekommen – obwohl er vor vier Jahren noch in der Kreisliga Hannover spielte.
“Körper, Einsatz, Ballbehandlung – alles bringt er mit. Und er braucht nicht viele Chancen.” So spricht Hannovers ehemaliger Top-Torjäger Dieter Schatzschneider über Weydandt und seinen ersten Auftritt in der 1. Bundesliga. Beim SV Werder Bremen (1:1) hat er nach seiner Einwechslung prompt zum Führungstreffer eingenetzt. Der 23-jährige Weydandt hat es in Rekordzeit vom Amateur zum Bundesliga-Profi geschafft.
Vor vier Jahren war Weydandt vom Kreisligisten TSV Groß Munzel zu Germania Egestorf/Langreder in die Oberliga gewechselt. Mit Weydandt als Sturmspitze stieg der Verein schließlich in die Regionalliga auf. In vier Jahren bei Germania erzielte der Stürmer 46 Tore in 108 Spielen (zehn Vorlagen). Im Sommer wurde Weydandt auf Bestreben von 96-Akademiechef Michael Tarnat von Hannover 96 verpflichtet. Allerdings sollte der 1,95-Meter-Schlaks in der U-23 des Bundesligisten spielen – also erneut in der Regionalliga. Parallel wollte Weydandt seine Karriere als Steuerberater in der Firma seines Vaters und Beraters Heinrich vorantreiben. Im Sommer wollten ihn auch die Zweitligisten Duisburg und Kiel verpflichten. Weydandt entschloss sich aber für Hannover – auch, weil er dadurch in der Region bleiben konnte.
Belohnung für Weydandt: von 400 zu 15.00 Euro
Im Training und in den Testspielen mit der 1. Mannschaft hinterließ Weydandt dann prompt einen hervorragenden Eindruck. Hannover-Trainer André Breitenreiter belohnte den 23-Jährigen schließlich auch mit einem Einsatz im DFB-Pokal. Beim überzeugenden 6:0 beim Drittligisten Karlsruher SC netzte der Stürmer gleich doppelt nach seiner Einwechslung.
Nun setzte der Überraschungsstürmer sogar noch einen oben drauf und traf nach seiner Einwechslung auch noch in der Bundesliga. “Hendrik wird die nächsten Jahre sicher nicht kleiner oder langsamer”, so Hannover-Manager Horst Heldt. “Dazu noch die Technik. Wir sind uns sicher, den nächsten Schritt mit ihm gehen zu wollen.” Damit meint Heldt auch, dass sein Amateurvertrag, der bis 2020 läuft, in einen Profikontrakt umgewandelt werden soll. Dies soll noch in der laufenden Woche passieren.
Bemerkenswert: Nach dem Spiel wehrte Weydandt sämtliche Interviewanfragen ab. “Das ist auch gut so”, so Breitenreiter. “Er will sich auf Fußball konzentrieren und sich nicht ablenken lassen. Die Tore sprechen ohnehin für sich.”
Bei Hannover 96 taten sich in der Vergangenheit einige Spieler mit Blitztoren nach Einwechslungen hervor. Charlison Benschop traf im August 2015 nach nur drei Minuten (2:2 in Darmstadt). Jonathas brauchte zwei Jahre später auch nur fünf Minuten, um als Joker zum 1:0 gegen Schalke 04 zu treffen. Doch Weydandts Start toppt alle: Nur 75 Sekunden nachdem er erstmals den Platz eines Stadions während eines Bundesligaspiels betrat, netzte er zum 1:0 für 96 ein. Rekord für Hannover. In der Geschichte der Bundesliga waren nur Milos Jojic (2014, Borussia Dortmund), Helmut Schröder (1978, Arminia Bielefeld) und Christian Peukert (1980, Eintracht Frankfurt) noch schneller.
Weydandt sei Dank: Nun profitieren auch die Ex-Vereine
In der Regionalliga hatte sich Weydandt lediglich 400 Euro “dazuverdient”. Laut “Bild”-Zeitung dürfte sein neues Monatsgehalt bei rund 15.000 Euro liegen. Auch die Ex-Vereine des Stürmers dürfen nun jubeln. Der Solidaritätspool der DFL schüttet für Spieler, die in ihrer ersten Spielzeit bei einem Lizenzverein höchstens ihr 23. Lebensjahr vollenden und in der Profiliga auch eingesetzt werden, Vergütungen aus, mit denen die Klubs ihre Nachwuchsarbeit fördern sollen. Weydandt fällt unter diese Regelung, da er erst am 16. Juli 23 Jahre alt wurde. Gemäß einer Einstufung vom sechsten bis zum elften Geburtstag waren das in der letzten Spielzeit 4.200 Euro. Vom zwölften bis zum 21. Geburtstag waren es 5.400 Euro pro Saison.
Germania Egestorf/Langreder würde demnach einmalig 16.200 Euro erhalten. Der TSV Groß Munzel dürfte auch noch Geld erhalten. Eventuell werden auch die Sportfreunde Landringhausen begünstigt, da sie mit der TSV in der Jugend eine Spielgemeinschaft bilden. Dort begann Weydandt mit dem Fußballspielen und tauchte als Spätzünder auch nie in einer Auswahl oder in einem NLZ auf.