Argentinien leistet sich eine Pleite gegen Kroatien und befindet sich kurz vor dem WM-Aus. Das Sinnbild der Krise ist Lionel Messi. Seine Werte zeigen so viel Schwäche wie seine Körpersprache. Schon vor dem Anpiff.
Rote und geschwollene Augen. Messi litt, und das wird er vermutlich noch länger tun. Nach dem 3:0 sagte er erst einmal kein Wort. Die Demütigung gegen die bereits für das Achtelfinale qualifizierten Kroaten kann schon der Anfang vom Ende für die Nationalelf des Ausnahmefußballers gewesen sein.
Es ist zwei Jahre her, dass Messi schon einmal zurücktrat, dann aber wieder kam und das argentinische Team nach Russland zur WM führte. Jetzt sollte es so weit sein, nach den vergeblichen Versuchen in 2006 (Deutschland), 2010 (Südafrika) und 2014 (Brasilien). Doch das Aus Argentiniens scheint zum Greifen nah, nach gerade mal einem Punkt in zwei Spielen.
Messi schaffte nichts gegen Kroatien
Messi leidet, weil er es einfach nicht schafft, seine Mannschaft ähnlich mitzureißen, wie den FC Barcelona in jeder Saison. Er leidet auch, weil sein größter Wunsch wahrscheinlich unerfüllt und er somit als Fußballer unvollendet bleibt. In seinen 17 WM-Spielen schaffte er nur fünf Tore.
Jetzt aber schaffte er nichts. Beim Spiel gegen Island (1:1) machte er noch elf Torschüsse, im Spiel gegen Kroatien war es nur einer. In der ersten Hälfte machte er 20 Ballkontakte. Das ist ziemlich wenig für jemanden, der das Spiel eigentlich antreiben soll und der es seit Jahren gewohnt ist, von vielen Spielern ständig attackiert zu werden.
Konnte man das vor dem Spiel schon erahnen? Bereits beim Abspielen seiner Nationalhymne wirkte er seltsam introvertiert. Er wichte sich die Stirn und die Schläfen ab, das Haupt war nach unten geneigt, leerer Blick. Er sah aus wie ein von Zweifeln erfüllter Mann, der die Niederlage schon zu ahnen schien.
Innerhalb der letzten sechs Tage war das der zweite Tiefschlag für Messi. Beim Ersten verschoss er den Elfmeter gegen Island und riss sich die Kapitänsbinde vom Arm. Resignation. Nach dem Spiel wurde es noch deutlicher. Er wollte nur weg. Mit versteinerter Miene verließ er als Erster den Platz.
Man fragt sich, warum ein Ausnahmetalent wie Messi es einem Cristiano Ronaldo nicht gleich tut und seine Mannschaft mitreißt? Jorge Sampaoli, Argentiniens Trainer, meint, man könne die beiden zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vergleichen. Oder doch? Ronaldo konnte sich diese WM bereits zu eigen machen. Vier Tore in zwei Spielen. Allein ihm verdankt Portugal die vier Punkte. Er war es ebenfalls, der das Team zum EM-Titel vor zwei Jahren führte, obwohl er sich im Finale früh verletzte. Er ist quasi besessen davon, als Gewinner hervorzugehen.
Die Liebe zu Widerständen
Messi ist fußballbesessen, und das mit Erfolg. Doch im Team ist er gescheitert. Er braucht Kollegen, die ihn verstehen. Weil er ein Bauchfußballer ist, benötigt er eine entsprechende Wohlfühloase aus dem Feld. Ronaldo hingegen hat schon als Kind und Teenager viel Kraft aus Hindernissen und Widerständen gezogen.
Aber es ist nicht Messi allein, sondern die gesamte Generation. So zum Beispiel Agüero, Di María, Biglia oder Mascherano. Sollen sie noch eine WM mit 34 oder mehr Jahren spielen? Viel besser werden sie wahrscheinlich nicht. Schon jetzt steht die argentinische Mannschaft mit durchschnittlich 29,6 Jahren als das älteste Team der WM da.