Nach der Mexiko-Blamage müssen nun frische Kräfte für die Nationalmannschaft her. Reus ist Topkandidat, der eigentlich schon gegen Mexiko von Beginn an auf den Platz gehört hätte.
Seit Frankreichs Sieg gegen Brasilien 1998 schaut Reus zu Zinedine Zidane auf. Seitdem wollte er selbst bei einer Meisterschaft spielen und träumt vom Titelgewinn. Am Samstagabend kann er weiter an der Erfüllung des Kindheitsraumes arbeiten: Gegen Schweden wird Reus wahrscheinlich von Anfang an spielen. Aller Voraussicht nach wird Trainer Löw ihn auf die linke Außenbahn setzen, Özil oder Draxler müssten für ihn ausgewechselt werden.
Vor den Meisterschaften 2014 und 2016 war Reus verletzt und galt als Pechvogel der Nation. Nur 24 Stunden vor der WM ausgefallen, von der die Mannschaft mit dem Pokal zurückkam. Reus durfte das Finale am Fernseher betrachten. „Ich bin damals früh ins Bett gegangen“, sagt er. Sicherlich freute er sich für seine Kollegen – doch völlig schmerzfrei waren die Jubelbilder bestimmt nicht.
Jetzt gilt Reus als Hoffnungsträger. Mit seiner Hilfe soll das Offensivspiel der Deutschen kreativer, flüssiger, unberechenbarer und schneller werden.
Löws Lob an Reus
Reus ist 29, diese WM dürfte auch die letzte sein. Ihm bleibt nur eine Chance, den Traum wahr zu machen. Ein Aus in der Vorrunde wäre nicht nur für die Mannschaft, sondern auch für ihn ein riesiges Drama.
In Russland kann Reus im Training überzeugen, außerhalb des Rasens wirkt er entschlossen. Am Dienstag Nachmittag fuhr er mit seinen Mannschaftskollegen nach Sotschi, wo er ehe es ins „Endspiel“ geht, ein Trainingslager im Fünfsternehotel am Meer beziehen wird.
Reus ist fast der einzige Dortmunder, der in der letzten Rückrunde stets am Leistungslimit war. Die nahende WM hatte ihn zusätzlich motiviert. „Marco ist sehr geschickt und intelligent, das überrascht den Gegner oft“, sprach Löw sein Lob aus. Und ließ ihn trotzdem nicht gegen Mexiko spielen. Viele Experten und Fans konnten es nicht nachvollziehen.
Schon Anfang Juni hatte Löw Reus darüber informiert, dass er beim Auftakt nicht in der Startelf sein wird. Das gab Reus nach der Niederlage gegen Mexiko zu. Deutlich wurde daran vor allem Löws bekannte Vorliebe für Özil und Draxler. Darüber hinaus wollte er Reus aufgrund seiner Vorgeschichte schonen.
Relativierung von Reus
Reus möchte bei einer Meisterschaft zeigen, dass er sich auf dem internationalen Niveau der Elitespieler befindet. „Klar bin ich enttäuscht, nicht von Anfang an gespielt zu haben. Wer dabei nicht enttäuscht ist, ist falsch bei der WM“, sagte Reus.
Im letzten Jahr gewann Reus endlich einen großen Titel in Form des DFB-Pokals – und er will mehr: Wir gehen davon aus, dass es ein langes Turnier wird und ich gerade in den wichtigen Spielen…“, meinte Reus in Bezug auf Löws Entscheidung. Und fügte rasch hinzu: „Natürlich war dieses Spiel auch wichtig!“
Reus' Aussagen machen deutlich, dass Löw Mexiko einfach anders eingeschätzt hatte, vielleicht sogar unterschätzt. Intern sprach man wohl anders darüber als in Interviews, wo Trainer und Nationalmannschaftsmanager immer die Stärke Mexikos hervorhoben. Die Aussagen Löws, der WM-Auftakt würde der Nationalelf „alles abverlangen“ und wäre nach den Titelfavoriten die wohl beste WM-Mannschaft, werden durch die ehrlichen Worte Reus' relativiert.