Als Kind stellte er sich vor, wie Pierre Littbarski zu sein. Im Jahr 2014 schaffte er es selbst zum Weltmeister. In Rio konnte er die Nationalmannschaft als Kapitän entschlossen leiten.
Philipp Lahm ist viel unterwegs in diesen Tagen. Der Ex-Kapitän der Nationalelf ist seit dem Karriereende vor etwa einem Jahr Botschafter und Unternehmer für die deutsche EM-Bewerbung 2024 und agiert bei der aktuellen Meisterschaft außerdem als TV-Experte. Zum Interview erscheint der 34-Jährige im dunklen Pullover.
Interviewer: Herr Lahm, wie ist es, die WM nicht mitzuspielen?
Philipp Lahm: Seit 2002 ist das die erste WM, die ich als Zuschauer erlebe. Es ist etwas ungewohnt, dennoch bleibt das WM-Jahr für mich besonders. Ich denke automatisch zurück.
Interviewer: Woran?
Lahm: Zum Beispiel an meine erste Weltmeisterschaft 2006. Aber auch an 2010 und 2014, als wir den Titel gewannen. Wahrscheinlich werde ich diese Bilder für immer in mir tragen. Die Atmosphäre, die Stimmung und der Teamgeist waren unvergleichlich.
Interviewer: Welche WM haben sie zum ersten Mal bewusst erlebt?
Lahm: Das war die Meisterschaft 1990 in Italien. Ich war erst sieben Jahre alt und konnte die Spiele nicht bis zum Schluss schauen. Aber ich weiß, dass mein Opa den Zusammenschnitt der Meisterschaft auf Kassette aufgenommen hatte. Es waren 90 Minuten, überwiegend von unserer Nationalmannschaft. Aber auch von Roger Milla, einem damals legendären Stürmer aus Kamerun. Besonders fasziniert hat mich mein WM-Held Pierre Littbarski.
Interviewer: Wieso?
Lahm: Zum einen, weil er körperlich auch nicht allzu groß war. (lacht) Und er war einfach etwas Besonderes. Damals war Lothar Matthäus der Spieler überhaupt, aber Littbarski war mein Spieler. Zudem war er so mannschaftsdienlich.
Interviewer: Trugen Sie ein Deutschland-Trikot?
Lahm: Damals hatte ich keines – die vielen Fanartikel erschienen erst später. Ich glaube, dass der Hype sich ab 2006 erst so richtig entwickelt hat. Aber auch ohne Utensilien konnte man Fan sein. Heute sieht es wahrscheinlich anders aus, da hat fast jeder Fan ein Trikot zu Hause.
Interviewer: Träumten Sie damals davon, die WM einmal selbst zu spielen?
Lahm: Geträumt habe ich, ja. Aber nicht nur von der WM, sondern überhaupt vom Pokal. Ihn wie Matthäus 1990 in die Luft zu halten, davon habe ich geträumt. Es war allerdings kein Ziel, sondern eine Schwelgerei. Ich finde, das macht einen großen Unterschied.
Interviewer: 2014 konnten Sie ihn erfüllen. Wo befindet sich Ihre Kopie des Pokals?
Lahm: Alle Spieler, die die Weltmeisterschaft bestritten haben, besitzen eine. Meine ist zu Hause.
Interviewer: Sind die Weltmeister von 2014 durch ein besonderes Band gebunden?
Lahm: Nicht umsonst heißt es: Weltmeister ist man ein Leben. Jeder Spieler trägt bestimmte Gedanken und Erinnerungen in sich. Das verbindet uns auf jeden Fall. So gibt es die Meister von 54, 74, 90 und 2014. Es ist etwas Besonderes, sich bei so erfolgreichen Sportlern einzuordnen. Im Fußball ist es einfach der größte Pokal. Wenn ich nur an den Schlusspfiff des Finales denke… Dieser Moment, in dem man weiß: Wir sind Weltmeister! Unbeschreiblich. Ich bin sehr, sehr dankbar dafür, diesen Moment in mir zu tragen. Und meine Kollegen von damals bestimmt auch. Sollten wir uns mal sehen, werden wir darüber reden. Sich mit Dritten darüber auszutauschen ist schwieriger und ganz anders, weil sie den Moment nicht so gefühlt haben.