WM 1982: Die Geschichte des Gijon-Skandals

Karl-Heinz Rummenigge
Karl-Heiz Rummenigge war damals beim Spiel Österreich gegen Deutschland in Gijon dabei, als ein Skandal die Fußballwelt erschütterte.

Wir schreiben den 25. Juni 1982. In Gijon während der Weltmeisterschaft kam es beim letzten Vorrundenspiel zwischen Österreich und Deutschland zu einer Situation, die bis heute in Erinnerung bleibt.

Los geht die Geschichte damit, dass Deutschland als damaliger Europameister nach Spanien zur Weltmeisterschaft fuhr. Unsere Nation wurde sogar als Mit-Favorit gehandelt. Die Qualifikation lief äußerst gut und auch bei der Auslosung hatte Deutschland offenbar Glück.

Die Auftaktpleite bei der WM 1982

Beim Auftaktspiel kam es gegen Algerien allerdings mit einem 1:2 zu einer Pleite. Beim nächsten Spiel gewann Deutschland gegen Chile zwar 4:1, aber die Ausgangslage war trotzdem ein wenig heikel. Schon am Vortag trugen Algerien und Chile ihr Spiel aus und nun kam es auf das Ergebnis von Österreich und Deutschland an. Wenn Deutschland mit einem Tor Vorsprung gewinnen würde, wäre das Team Gruppensieger und auch Österreich würde weiterkommen. Das ginge dann zu Lasten von Algerien.

Da bei Österreich auch vier Bundesliga-Spieler dabei waren, gab es schon recht früh Gerüchte, dass man sich wohl auf ein 1:0 oder auf 2:1 einigen könnte. Der Österreicher Roland Hattenberger sagte das damals sogar öffentlich, meinte später allerdings, dass er das nicht ernst gemeint hatte.

Das Spiel in Gijon – der Skandal

An einem Freitag um 17:15 Uhr ging es dann in Gijon los. Deutschland gegen Österreich – über 40.000 Zuschauer. Bereits nach elf Minuten fällt das erste Tor. Die Österreicher fahren danach eine Verzögerungstaktik und Deutschland passte sich dieser an. Während des Spiels wurde quasi nur noch mit dem Ball getändelt, hieß es damals. Außerdem wurde berichtet, dass die Mannschaften nicht mal wirklich so taten, als seien sie Gegner. Es gab sogar Gespräche während des Spiels unter den Fußballern.

Im weiteren Verlauf sprach Pezzey als Abwehrchef Österreichs davon, dass die Deutschen in dieser Phase angeblich schon so stark waren, dass Österreich nichts tun konnte, als sich freiwillig zurückzuziehen und hinten dicht zu machen.

Böse Pfiffe zur Halbzeit

Als noch nicht mal das halbe Spiel vorbei war, gab es von den Rängen schon böse Pfiffe. Die österreichischen Fans beschwerten sich, dass kein Ehrgeiz in der Mannschaft zu finden sei. Doch das Schauspiel geht weiter. In einzelnen Berichten heißt es rückblickend, dass es in der zweiten Halbzeit keine Torchance gegeben hat und dass über weite Strecken hinweg gar kein Fußballspiel stattgefunden habe.

Deutsche passten sich Österreicher an

Erst Wochen später gestand Rummenigge, dass sie die Taktik der Österreicher bemerkt hätten (dass diese ihr Ergebnis halten wollten) und dass man sich dann in der zweiten Halbzeit daran angepasst habe, weil es auch für Deutschland passend war.

Die Zuschauer waren außer sich. Einige Fans mussten sogar von der Polizei abgeführt werden. Matthäus, der damals noch 21 Jahre alt und voller Tatendrang war, wurde sogar von Breitner mit den Worten “Spiel ruhig, Lothar” zurückgepfiffen.

Größte Verbrüderung seit 1938

Die Kommentatoren berichteten, dass es sich bei diesem Spiel (was sie aber im Grunde gar nicht als Fußballspiel bezeichneten) um die größte Verbrüderung zwischen Österreich und Deutschland seit 1938 gehandelt habe. Damit war aber noch nicht mal der Fußball gemeint, sondern die Tatsache, dass sich Österreich dem Deutschen Reich von Adolf Hitler angeschlossen hatte.

Internationaler Medien-Trubel: Der Gijon-Skandal

Das Gijon-Spiel erntete viel Kritik und einen großen Medienrummel. Es ging außerdem in die Fußball-Geschichte als Gijon-Skandal ein. Der Wiener Kurier druckte damals statt einen Spielbericht nur eine weiße Seite. Die Zeitung El Comercio aus Spanien veröffentlichte den Spielbericht nicht im Bereich Sport, sondern unter Polizeiberichten, weil 40.000 Menschen um ihr Eintrittsgeld betrogen wurden.

War das Spiel Betrug?

Für alle Welt fühlte sich das Spiel wie Betrug an, aber rein juristisch hatte das Ganze kein Nachspiel. Es gab keine Beweise. Eine Absprache habe es nie gegeben. Auch über 30 Jahre später beteuerte der Österreicher Reinhold Hintermaier, dass es keine Absprache gab, sondern man einfach nur gemerkt habe, dass keiner mehr so richtig will. Der DFB-Präsident Hermann Neuberger sagte damals dazu, dass jedes Team im Rahmen der Regeln so auftreten dürfe, wie man es für richtig hält.

Droht heute Abend der zweite Gijon-Skandal?

Heute Abend spielen Slowakei und gegen Rumänien. Wir haben eine ähnliche Situation wie damals in Gijon. Wenn das Spiel unentschieden ausgeht, kommen beide Mannschaften ins Achtelfinale. Wird es heute Abend also ein 0:0 oder ein 1:1 geben? Die UEFA hat schon jetzt betont, dass das Spiel unter strenger Beobachtung stehen wird.