Seit Juli 2021 gibt es in Deutschland lizenzierte Angebote für virtuelle Automatenspiele und Online-Poker: Der Staat erlaubt diese Formen des Glücksspiels, im Gegenzug erhebt er auf die Umsätze eine Steuer von 5,3 %. Im Jahr 2022 summierten sich diese Steuereinnahmen auf rund 461 Millionen Euro.
Empfänger dieser Steuern sind die Bundesländer, die sich mit dem Glücksspielstaatsvertrag von 2021 eine attraktive Einnahmequelle erschlossen haben. Bisher beschränkten sich die Einnahmen auf die Lotterie- und Rennwettsteuer sowie die Sportwettsteuer, nun kommen die separat erhobenen Steuern für Automatenspiele und Poker im Internet zu.
So entwickeln sich die Steuereinnahmen bei virtuellen Glücksspielen
Die beiden neuen Steuerquellen sprudeln – zu diesem Ergebnis kommt der MDR, der die neuesten Zahlen des Statistischen Bundesamts ausgewertet hat. Konkret verzeichneten die Bundesländer 2022 folgende Einnahmen (Vergleich zu 2021):
– Steuer auf Online-Poker: 32,8 Millionen Euro (+ 141 %)
– Steuer auf virtuelle Automatenspiele: 428 Millionen Euro (+ 126 %)
Beim Vergleich mit dem Vorjahr ist zu beachten, dass der neue Staatsvertrag erst seit Juli 2021 gilt. Eine Verdoppelung der Steuereinnahmen überrascht deshalb nicht, weil sich die Einnahmen 2022 nur mit dem zweiten Halbjahr 2021 ins Verhältnis setzen lassen. Der Trend ist aber positiv, die Steuersumme hat sich in beiden Bereichen mehr als verdoppelt.
Es lohnt der Blick auf die bereits etablierten Steuern im Glücksspielsektor, um die Bedeutung der neuen Steuern besser einschätzen zu können. Diese Einnahmen generierten die Bundesländer 2022 (Veränderung gegenüber Vorjahr):
– Lotteriesteuer: 1,66 Milliarden Euro (+ 0,9 %)
– Sportwettsteuer: 432 Millionen Euro (- 8,5 %)
Die Zahlen belegen, dass die neuen Steuerarten dynamisch steigende Einnahmen versprechen. Die bisher üblichen Steuern auf Glücksspiel stagnieren dagegen, die Steuer auf Sportwetten ging trotz Fußball-WM 2022 als Großevent sogar zurück.
Experten: Viele Spieler nutzen weiterhin illegale Angebote
Auf den ersten Blick scheinen die Steuereinnahmen in den Bereichen Online-Poker und virtuelle Automatenspiele zufriedenzustellen. Die Länder freuen sich über hohe Einnahmen: Angesichts zahlreicher finanzieller Herausforderungen erweisen sich die insgesamt 461 Millionen Euro im Jahr 2022 als willkommener Geldsegen. Doch ist die Bilanz des Glücksspielstaatsvertrags tatsächlich positiv?
Fachleute bezweifeln dies. Sie verweisen darauf, dass trotz der Legalisierung viele Nutzer illegale Angebote vorziehen. Aus nachvollziehbaren Gründen gibt es keine konkreten Zahlen für Umsätze in Casinos ohne Lizenz, die Betreiber veröffentlichen diese Werte nicht. Das Fachportal GambleBase.com präsentiert in einer ausführlichen Analyse des Onlinemarketings aber starke Indizien: Laut den Experten führt ein Großteil der Werbung auf bekannten Affiliate-Seiten zu illegalen Glücksspielangeboten. Der Verdacht liegt nahe, dass zahlreiche User diese Werbelinks anklicken und den Bundesländern hohe Steuereinnahmen entgehen. Die entsprechenden Betreiber sitzen in Ländern wie Malta und Curaçao und ignorieren das deutsche Lizenzierungsverfahren.
Verhindert die strenge Regulierung höhere Steuereinnahmen?
Diese Feststellung führt unweigerlich zur Frage, warum Spieler weiterhin illegale Angebote nutzen. Das Ziel des neuen Glücksspielstaatsvertrags war, den kompletten Markt zu legalisieren: Das Fazit fällt geteilt aus.
Der erfahrene Experte Timo Weber vom Portal GambleBase.com stellt fest: “Steuereinnahmen aus dem Glücksspiel könnten noch deutlich gesteigert werden. Dafür müssten für Spieler attraktivere Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit ausschließlich auf legales Glücksspiel zurückgegriffen wird.”
Er macht die strenge Regulierung verantwortlich. Die Bundesländer haben im Glücksspielstaatsvertrag strikte Auflagen für den Jugend- und Spielerschutz beschlossen. Dazu gehören:
– 5-Sekunden-Regel für virtuelle Spielautomaten: Nutzer müssen nach einem erfolgten Spiel mindestens fünf Sekunden warten, bis sie die Maschine erneut bedienen können. Diese Einschränkung soll hohe Verluste verhindern. In der Praxis schreckt sie jedoch viele Spieler ab, die auf Autoplay oder ein schnelles Spielen setzen.
– Limit für Einsätze: Spieler dürfen im Monat höchstens 1.000 Euro auf Konten von Glücksspielanbietern einzahlen. Diese Obergrenze gilt anbieterübergreifend. Die Summe hört sich nach viel an – für Intensivspieler kann es aber zu wenig zu sein. Sie umgehen das Limit, indem sie auf illegale Plattformen ausweichen.
Weitere Gründe kommen hinzu: So fehlt es an Transparenz. Viele Nutzer wissen nicht, ob es sich um ein legales oder illegales Angebot handelt. Zudem mangelt es an staatlicher Kontrolle und Sanktionen für Unternehmen, die keine Lizenz aufweisen. Erst seit Anfang Januar 2023 hat die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder in Sachsen-Anhalt ihre Arbeit vollständig aufgenommen, davor war das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalts übergangsweise dafür zuständig.
Ein klarer Beleg für die unzureichende Kontrolle ist das Fazit, welches das Portal GambleBase.com zur Onlinewerbung für illegale Casinos zieht: Diese Werbung dürfte es laut Staatsvertrag nicht geben, sowohl die Plattformen als auch das Marketing hierfür widersprechen der Gesetzgebung. Die Glücksspielaufsicht geht bisher aber nicht oder kaum dagegen vor.
Steuer für Online-Poker und Automatenspiele zu hoch?
Wer sich mit der Attraktivität des legalen Angebots an Glücksspielen beschäftigt, muss sich auch mit der Steuerhöhe auseinandersetzen. Sie beträgt bei allen Umsätzen in den Bereichen Online-Poker und virtuelle Automaten 5,3 %. Diese Besteuerung verteuert das Spiel. Die Betreiber müssen diese Steuer erheben und einziehen, das Spiel wird entsprechend teurer.
Im Vergleich zu illegalen Angeboten befinden sich die Casinos mit staatlicher Lizenz im Nachteil. Preisbewusste Spieler ziehen die günstigeren Alternativen vor: Sie versprechen höhere Gewinne. Erschwerend kommt hinzu, dass das staatliche Lizenzierungsverfahren mit enormen Kosten einhergeht. Die Unternehmen müssen die strikten Auflagen des Staatsvertrags erfüllen, hierfür benötigen sie unter anderem entsprechende Softwareprogramme. Auch die Lizenzierung als bürokratischer Akt beansprucht zeitliche und finanzielle Ressourcen. Diese Mehrkosten erhöhen die Kosten für das Angebot.
Zielkonflikt: Spielerschutz versus Steuereinnahmen
Aus der Sicht der Bundesländer spricht vieles dafür, die Regelungen für Online-Poker und virtuelle Automatenspiele zu liberalisieren. Mit einer vereinfachten Lizenzierung und weniger Einschränkungen besteht eine gute Chance, die jährlichen Steuereinnahmen deutlich zu erhöhen. Allerdings existiert hier ein Zielkonflikt: Die Länder haben sich im Glücksspielstaatsvertrag zu einem effektiven Jugend- und Spielerschutz verpflichtet. Diese Bestimmungen erlauben den Bundesländern, den Markt zu regulieren: Andernfalls würde eine ausreichende Begründung für die massiven staatlichen Eingriffe in diesem Bereich fehlen. Experten sehen jedoch Spielräume und plädieren dafür, die aktuellen Regelungen zu überarbeiten und spielerfreundlicher zu gestalten.
Prognose: So geht es mit der Glücksspielregulierung weiter
Bisher lässt sich nicht erkennen, dass es in naher Zukunft zu einer Überarbeitung des Glücksspielstaatsvertrags kommt. Es stehen sich Befürworter einer Liberalisierung und Anhänger einer noch strikteren Regulierung gegenüber. Interessant wird, ob die neu gegründete Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder wirksamer gegen illegale Angebote und deren Bewerbung vorgeht. Auch das wäre eine Möglichkeit, das Steuerpotenzial besser auszuschöpfen.